Gesucht: Fußball-Trainer/in für das gemeinnützige Hilfsprojekt KIDsmiling für unseren Standort in Bonn.
Geld verdienen, was Gutes tun und das noch mit Fußball? Klingt gut, denke ich mir und lese weiter.
Voraussetzung: Trainer C-Lizenz und ein einwandfreies Führungszeugnis.
Trainer Lizenz? Check. Einwandfreies Führungszeugnis? Check. Dann steht der Bewerbung eigentlich nichts mehr im Weg. Eigentlich. Denn langsam machen sich Zweifel in mir breit. Ob’s ne gute Idee ist, als junge Frau das zu machen? Bin ja schließlich erst 21 Jahre alt. Und sind bestimmt viele Jungs da. Auch ältere. Die nehmen mich bestimmt nicht ernst…
Naja darüber kann ich mir ja noch später Gedanken machen. Schnell den Lebenslauf aktualisiert, ein Motivationsschreiben rausgehauen und los geht’s.
Nach ein paar Tagen bekomme ich tatsächlich eine Antwort, inklusive einer Einladung zum Bewerbungsgespräch. Wieder Zweifel, wieder zögern und trotzdem sage ich zu. Kostet ja nichts.
Das Bewerbungsgespräch leitet Sabine, die Projektleiterin. Nach ein bisschen Smalltalk, kommt es zum Wesentlichen. Der eine Kandidat würde schon so gut wie feststehen. Ein Mann mittleren Alters, ehemaliger Torwart. Wie ich meine Rolle denn sehen würde? Ich weiß noch, dass ich über die Frage etwas stutzte. Und wie verunsichert ich war, wie ich darauf antworten sollte. Wird von mir erwartet, dass ich eher ein Co-Trainer bin? Das er die Führung übernimmt? Ich entscheide mich schlussendlich dafür, trotz alledem in die Offensive zu gehen:
„Naja, in meinen Augen wären wir gleichberechtigte Partner. Ich habe den Trainerschein, ein wenig Trainererfahrung und spiele zudem schon ziemlich lange selbst Fußball. Ich glaube durchaus, dass ich den Kindern mehr vermitteln kann, als ihnen nur zu zeigen, wie man Hütchen aufstellt. Und ich finde, dass wir uns gut ergänzen würden. Er ist Torwart, ich Stürmerin. Er ist erfahren und strahlt vielleicht dadurch etwas mehr Autorität aus, dafür bin ich näher an den Kindern dran, verstehe ihre Probleme vielleicht noch etwas besser und übernehme dann eher die Rolle des Good Cop. Wir hätten dann beide unsere Stärken, die wir einbringen würden und Punkte, wo wir voneinander lernen können.“
Lisa Steffny
Das scheint sie überzeugt zu haben, denn am Ende habe ich mich gegen mehrere Kandidaten durchgesetzt und die Stelle bekommen. Meine Befürchtung, dass die Kinder mich nicht ernst nehmen, bewahrheitete sich in über einem Jahr Arbeit mit ihnen in keinster Weise. Von Anfang an nahmen sie mich genauso ernst wie meinen Kollegen. Das ich ein Mädchen war, interessierte sie nicht.
Stattdessen lernte ich während meiner Arbeit drei Typen von Mädchen und einen Typ Jungen kennen:
Mädchen Typ 1:
Die, die zwar mit spielten, sich aber selbst gerne darauf reduzierten, dass sie doch „nur Mädchen seien“ und die „Jungs ihnen deswegen nie abspielen bzw. sowieso viel besser sind.“
Mädchen Typ 2:
Die, die selbst nicht mitspielten, die anderen Mädchen aber dann auch noch runtermachten, dass es voll unweiblich sei, da überhaupt mitzuspielen.
Mädchen Typ 3:
Die, die mitspielten und den Jungs zeigten, dass sie auch einiges auf den Kasten haben (Sei Typ 3!, Klar, nicht jeder Einsatz wird belohnt, aber nur wer es überhaupt probiert, kann was erreichen. Ich bin der festen Überzeugung, dass man jederzeit mit Leistung überzeugen und Vorurteile überwinden kann.)
Jungs Typ 1:
Mädchen, die was auf den Kasten haben, werden akzeptiert, gerne auch früh gewählt und auch bereitwillig angespielt (wenn nicht, liegt es eher daran, dass diese Jungs dann allgemein nicht gerne abspielten). Mädchen, die allerdings durch schreien und jammern auffielen, wurden auch nicht ernstgenommen.
Bestes Beispiel: Eine Junge steht im Tor und sagt: Die Mädchen schießen von hier vorne und Lisa und die Jungs von da hinten. Aber Lisa ist doch auch ein Mädchen? Egal, die schießt aber gut.
Was ich sagen will: Die Arbeit mit den Kindern hat mich einiges gelernt. Und wenn wir ehrlich sind: Niemand ist davor gefeilt, Vorurteile zu haben. Der ist bestimmt nicht so gut, schau ihn dir an, der ist ja ein Kopf kleiner als alle anderen. Puh, die Mädchen sind bestimmt auch nicht so gut. Komm ruhig mal ein paar Schritte näher zum Schießen. Vorurteile zu haben ist menschlich und egal wie sehr wir uns bemühen, wir werden sie nie ganz rausbekommen. Und das ist auch nicht schlimm. Wichtig ist nur, dass wir offen genug sind, über unseren Schatten zu springen und unsere Meinung gegebenenfalls zu revidieren. Und mutig genug sind, jedem zu zeigen, was wir können und nicht direkt aufgeben, wenn es mal nicht auf Anhieb klappt. Oder um es mit den Worten einer der Jungs zu sagen: „Digga, was da los, die hat uns gerade ganz schön nass gemacht!“
Mein Tipp an andere:
An die eigenen Fähigkeiten glauben und sich auf die eigenen Stärken konzentrieren. Du bist nicht unerfahren, sondern nah an der Jugend dran. Du strahlst keine Autorität aus? Falsch, du bist vertrauenswürdig und der perfekte Ansprechpartner bei Problemen. Überlege vorher, was dir als Schwäche ausgelegt werden könnte und mach es zu deiner Stärke.
Die meisten mussten schonmal schmunzeln, wenn sie ihr eigenes Motivationsschreiben gelesen haben. „Ich bin ganz schön toll, wenn ich das so lese.“ Und weißt du was? Ja, bist du. Und du brauchst dich ganz bestimmt nicht dafür zu schämen, dass du viel auf den Kasten hast. Sei stolz darauf und zeig es allen!