Name: Nike Lorenz

Beruf: Studentin und Hockeyspielerin

Sport: Hockey

Social Media: Instagram

Interview mit Nike

Hallo Nike! Wie ist dein Werdegang und woher kommt deine Liebe zum Sport?

Ich bin in einer Hockeyfamilie aufgewachsen und hab den Schläger tatsächlich schon mit in die Wiege gelegt bekommen. Mit 3 Jahren war ich dann schon das erste mal Clubmitglied und hab an Bambini Trai- ningseinheiten in Wiesbaden teilgenommen. Dort bin ich auch groß geworden und habe hier selbst mei- ne Liebe zum Sport entdeckt. Mit 14 Jahren habe ich dann aus Entwicklungsgründen den Verein gewechselt und bin nach Mannheim gegangen. 4 Jahre lang sind meine Eltern und ich 5-6 Mal die Woche nach Mannheim getuckert. Beim Mannheimer HC habe ich eine ganz wichtige Zeit meiner Karriere und Entwicklung verbracht, bin sechs mal deutscher Meister in der Jugend geworden und hatte einen Riesen Spaß. Diese Zeit hat mich darauf vorbereitet mit 17 mein erster A- Kader Länderspiel und mit 19 meine ersten olympischen Spiele zu bestreiten.

 

Du bist mittlerweile Kapitänin der Danas. Was macht der Hockeysport für dich aus?

Die Liebe zum Sport kommt über die ständige Freude am draußen sein, mit Freundinnen an Grenzen gehen und der Liebe zu reinen Technik und Taktik des Spiels. Wenn ich an meine Jugend zurück denke, kommen mir lustige Turniere und Übernachtungen, verrückte Rituale und Parties in den Sinn. Durch das Hockeyspielen habe ich einige meiner besten Freunde kennen gelernt. Man verbringt so viel Zeit miteinander und lernt so unbeschreiblich viel über Teamwork. Darüber hinaus, als ich dann etwas älter und alles auch etwas ernster wurde, habe ich auch unheimlich viel über mich selbst gelernt. Auf der einen Seite liegt das sicher am Leistungssport selbst, aber auch an den Leuten, denen ich speziell beim Hockeyspielen begegnen durfte.

 

Schon vor den Olympischen Sommerspielen in Tokio hast du als Kapitänin die Regenbogenbinde getragen. Welches Zeichen wollt ihr als Team dadurch setzen?

Während die Regenbogenflagge vielleicht für jeden etwas dezent unterschiedliches betont oder aus- drückt, gilt glaube ich für uns als Team allgemein folgendes: Durch das Tragen der Binde wollen wir als Team neben den Werten der Regenbogenbinde ausdrücken, dass wir uns unserer Rolle, Position und unseren Möglichkeiten bewusst sind. Durch die Binde, wie auch durch den Hockeywald, möchte wir die auf uns gerichtete Aufmerksamkeit und unsere Reichweite nutzen, um ebendiese Themen anzusprechen und sichtbar zu machen.

 

Nun finden derzeit in China die Olympischen Winterspiele an. Das IOC betont erneut, für die politische Situation in dem Gastgerberland keine Verantwortung zu übernehmen. Wie bewertest du diese Aussage?

Zunächst einmal ist die ganze Situation in China sehr sehr komplex und ich kann das auf keinen Fall vollständig einschätzen oder beurteilen. Es ist eine weltpolitische Angelegenheit und daher denke auch nicht, dass es in erster Linie die Aufgabe des IOC, nationaler Verbände oder AthletInnen ist, diese im Rahmen der olympischen Winterspiele anzugehen.
Es ist jedoch die Rolle des IOC, AthletInnen zu beschützen und ihre Rechte im Rahmen des Sports und der Spiele zu schützen. Außerdem hat das IOC die Aufgabe, die Austragungsorte zu bestimmen. Auch dieser Prozess ist kompliziert und langwierig, aber da sehe ich all die Verantwortung beim IOC. In der Autobiografie von Anita L. DeFranz („My olympic life“) wird dieser Prozess mega interessant beschrieben. Ich hoffe, dass man in den zukünftigen Entscheidungen mehr politische Verantwortung des IOC erkennen kann.

Valerie mit anderen Personen

Die vermeintlich unpolitische Rolle des Sports wird in solchen Diskussionen oftmals betont. Kann Sport überhaupt unpolitisch sein?

Ich glaube, betrachtet man wirklich nur den Sport, den essentiellen Teil, dann kann dieser unpolitisch sein. Von Anpfiff bis Abpfiff, vom Startschuss bis zur Ziellinie, kann der Sport unpolitisch sein. Aber so ist es nun mal nicht, denn dieser findet ja immer einem Kontext statt und dieser ist politisch. Es geht um Austragungsorte, Sponsoren, Zulassungen, Qualifikationen, Gehälter und Presse. Diese Dinge sind nunmal heutzutage Teil vom Sport und da kann ja auch wirklich keiner behaupten diese seien nicht politisch (oder?).

 

Hast du jemals in deiner sportlichen Launahn mit Vorurteilen aufgrund deines Geschlechts kämpfen müssen?

Ständig und gleichzeitig auch nie.
Frauenteams werde gerne mal als kompliziert, zickig und weniger athletisch abgestempelt. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen wird betont und darunter leidet vor allem der Frauensport. Wir werden mit Männern verglichen, unser Sport ist langsamer und dadurch angeblich weniger attraktiv. Die Linie zwischen den Geschlechtern wird zur Zeit vor allem dann gezogen, wenn der Mann von dem Vergleich profitiert, selten aber die Frau.
Und gleichzeitig, wird so getan als gäbe es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern: es gibt kaum auf Frauen angepasstes Kraftraining, weil die Studien dazu hauptsächlich an weißen Männern durchgeführt werden, es kann nicht auf die physischen Bedürfnisse von Athletinnen während ihrer Periode eingegangen werden, weil das Thema stigmatsiert und kleingehalten wird.
Ich verdiene weniger Geld als meine männlichen Kollegen auf dem gleichen Level. Das ist schon länger so. Daher war es für mich als Frau auch nie wirklich eine Option, nicht nebenbei zu studieren und dann später zu arbeiten, um finanziell auf eigenen Füßen stehen zu können. Das hat natürlich auch Einfluss auf den Trainingsalltag und generell Professionalität. Das ganze zieht also einen ziemlich langen Rattenschwanz mit sich und ich habe schon das Gefühl, dass dieser an die hierarchischen Unterordnung der Frau und den damit einhergehenden Vorurteilen ansetzt.

 

In deinem Blog schreibst du über dein Leben als Spitzensportlerin, aber auch über gesellschaftspolitische Themen wie Mental Health, Feminismus und Rassismus. Wie könnte etwa eine gelungene Anti-Rassismus Arbeit im deutschen Sport zukünftig aussehen?

Wichtig ist hier in erster Linie, dass wir Wissen über strukturellen Rassismus verbreiten und damit auch die Aufmerksamkeit für das Thema erhöhen. Ich begegne immer noch Verantwortlichen in Clubs oder Verbänden, die behaupten, das Thema betreffe den Sport nicht. Die soziale Ungerechtigkeit, die unzweifelhaft in unserer Gesellschaft aufkommt, wird weitestgehend in den Sport, in Clubs und Teams übertragen. In der Anti-Rassismus AG von Athleten Deutschland fokussieren wir uns daher weiterhin auf Veranstaltungen, um über das Thema zu sprechen und mehr Leute zu involvieren. Als nächsten Schritt planen wir auch Schulungen oder Veranstaltungen, in denen professionelle Rassismusbeaubragte TrainerInnen aufklären. Jeder Sport kann eine große Rolle in der Erziehung junger SportlerInnen spielen, daher steht die aufklärende Fortbildung von AusbildnerInnen ganz oben auf unserer Liste.

 

Was waren deine größten Herausforderungen und Rückschläge in deiner Karriere?

Puh. Es geht wirklich ständig auf und ab… Mit 16 Jahren wurde mir gesagt, ich hätte kein Talent, mein Aufwand würde sich nicht lohnen und ich wurde vorerst nicht in die U18 hochgezogen. Das war damals schon ein ziemlich heftiger Schlag in die Magengrube. Wenn ich jedoch jetzt zurück blicke, bin ich sehr dankbar für das zweite Jahr in der U16. Bis zu diesem Zeitpunkt ging bei mir alles sehr schnell und sehr steil bergauf, sodass ich das Jahr gut nutzen konnte, um herauszufinden, wie sehr ich diesen Weg wirklich einschlagen möchte. Ansonsten fallen mir etliche Verletzungen ein, die mich frustriert haben. Es gab einige Niederlagen, bei denen mir heute noch ein Schauer über den Rücken läuft, wenn ich an das Gefühl bei Abpfiff denke. Es geht in jeder Saison auf und ab, man spielt gut und hat alles unter Kontrolle, dann geht der ‚Zauber‘ auf einmal verloren und man kann den Grund nicht greifen. Ich glaube, Konstanz ist die größte Herausforderung im Leistungssport. Ich glaube auch, dass man diese eigentlich nie wirklich erreichen wird, es gilt nur darum möglichst nah dran zu kommen, aus Rückschlägen etwas mitzunehmen und dann wieder voran zu kommen.

Die letzten Jahre und die Pandemie waren auch eine sehr große Herausforderung. Die olympischen Spiele wurden verschoben und auf einmal musste ich meinen ganzen Plan für die nächsten Jahre nach hinten verschieben. Am Anfang dachte ich wirklich, das sei DIE Hürde der Pandemie für mich. Gleichzeitig war ich sehr privilegiert weiter meinen Sport ausführen zu können. Es war schwer diese beiden Gefühle miteinander zu vereinen.

Doch wenn ich ehrlich bin, habe ich erst in den letzten Monaten vor den Spielen und dann in Tokyo selbst gemerkt, welche Hürde die Pandemie mir (und vielen anderen in meinem Team) eigentlich wirklich aufgestellt hatte: mir fehlte jegliche Balance zwischen dem Sport und eigentlich allem anderem drum herum. Die Summe der kleinen, ausgleichenden Unternehmungen, die in diesen 18 Monaten ausgeblieben sind, hatte so einen extremen Einfluss auf meine Freude am Hockeyspielen, ich hatte ja keine Ahnung. Ich habe so sehr die Freude am Profi-Hockeyspielerinnen Dasein verloren, ich hätte fast den Schläger an den Nagel gehängt. In Tokyo selbst war ich teilweise zutiefst unglücklich und das schwierigste daran war eigentlich, dass ich mir deswegen so extreme Vorwürfe gemacht habe: ich bin doch bei den olympischen Spielen, der Traum so vieler SportlerInnen auf dieser Welt. Aber leider war es einfach eine Zeit, in der der Tank sowas von absolut leer und ich so unausgeglichen wie noch war. Daher ist es jetzt zur Zeit meine größte Herausforderung die Liebe zum Sport und zum Profi-Hockeyspielerinnen Dasein wieder zurück zu finden.

 

Du absolvierst derzeit ein Auslandssemester in England und spielst vor Ort Hockey. Wie unter- scheidet sich das Sportsystem in der UK im Vergleich zur deutschen Sportförderung?

Der größte Unterschied zwischen Deutschland und Großbritannien (und auch USA) ist, dass es überhaupt semi-professionellen Uni-Sport gibt. In Deutschland steht Uni auf der einen Seite, Sport auf der anderen Seite und der/die AthletIn muss diese beide kombinieren. Ich genieße es hier, dass man für seine Schule antritt, dass sich mehr oder weniger alles auf dem Campus abspielt und dass mir als Athletin geholfen wird, das beste aus beiden Welten zu machen. Da Studieren in USA und Großbritannien natürlich auch sehr teuer ist, kann der Sport einem Türen öffnen. Nachteil ist jedoch, dass es für viele SportlerInnen nach dem Studium häufig einen extremen Einschnitt gibt: entweder man wird Profi oder es ist Ende.

Für die Zeit des Studiums habe ich es sowohl in USA wie auch in Großbritannien sehr genossen. Darüber hinaus ist Deutschland aber definitiv einfacher zu navigieren, wenn man Sport machen und ein einigermaßen ausgeglichenes Leben haben möchte.

 

Was sind deine sportlichen Ziele für 2022?

Wir spielen hier in der BUCS (British University and College Sports) Liga mit um den Titel. Im Sommer steht dann mit der Nationalmannschaft eine Weltmeisterschaft an. Da wäre es schon ziemlich cool, aufs Treppchen zu kommen.

 

Und zum Abschluss: Was ist dein Tipp für (Nachwuchs-) Sportler*innen?
Priorisiere die Freude an dem, was du machst. Sport und Leben sollten immer in einer guten Balance zueinander stehen, genauso wie der Spaß und die Anstrengung, die Vorteile und Aufopferungen. Es muss nicht 50/50 sein, aber Du musst auch nicht alles aufgeben, um im Sport erfolgreich zu sein. Ich habe gelernt, wenn ich nicht glücklich bin, bin ich auch keine gute Hockeyspielerin.