Wusstest du schon, dass…
weibliche Trainerinnen deutlich unterrepräsentiert sind im deutschen Fußball? Das gilt sowohl für Trainerinnen von Männer- als auch von Frauenteams. Doch auch bei anderen Teamsportarten sieht die Situation leider nicht viel besser aus.
2018 gab es ein echtes Novum im deutschen Männerfußball: Noch nie hat eine Frau ein höher-spielendes Männerteam trainiert als Imke Wübbenhorst es ab diesem Moment tat– in der 5. höchsten Spielklasse wohlgemerkt. Wenig später folgte mit Inka Grings noch eine weitere Trainerin, sogar noch eine Spielklasse höher. Dass Frauen jedoch noch immer nicht alltäglich im Männerfußball sind, bewies das außergewöhnlich große Medienecho. Während Oberliga-Fußball sonst nur wahre Fußballiebhaber und die Lokalmedien interessiert, berichteten nun alle nationalen sowie einige internationale Medien über die Einstellung von Imke Wübbenhorst. Doch dass es dort um vieles, nur nicht um ihre Kompetenz geht, bewies u.a. die Frage eines Journalisten, ob sie eine Sirene auf dem Kopf tragen werde, damit ihre Spieler schnell eine Hose anziehen könnten, bevor sie in die Kabine komme, nur allzu gut. Mittlerweile ist sie für ihre ironische Antwort, für die sie die Auszeichnung für den Fußballspruch des Jahres bekam, bekannter, als für ihre Trainertätigkeit: „Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf.“
Lange bevor Inka Grings und Imke Wübbenhorst die Trainerbühne betraten, musste die ehemalige Nationalspielerin Sissy Raith bereits die Erfahrung machen, dass Frauen an der Seitenlinie nicht allzu gerne gesehen sind. Von Januar bis Oktober 2009 trainierte sie die Bezirksoberliga Herrenmannschaft des TSV Eching und führte das Team zurück in die Landesliga. Keine Frau vor ihr hat je einen höherklassigen Männerverein trainiert. Der Grund ihrer Entlassung war mehr als zweifelhaft: Der neue Vereinsverantwortliche verkündete vor laufender Kamera und im Radio, dass man einem hart arbeitenden Mann nicht zumuten könne, sich abends noch mit einer Frau rumzuschlagen. Kurz darauf erhielt sie ihre Kündigung.
Die Gründe, warum es Trainerinnen nach wie vor schwer haben, sind so zahlreich wie vielfältig. Der vermutlich schwerwiegendste Grund ist die nach wie vor vorherrschende männliche Hegemonie im Fußball. Fußball wurde von Männern für Männer erfunden und es dauerte allein bis in die 1970er Jahre, bis Frauen hierzulande legal spielen durften. Bis heute werden Frauen daher oftmals als Eindringling wahrgenommen und Fußball wird seit jeher als Männersport gesehen, der durch Attribute wie Grätschen, Körpereinsatz und Stärke nicht der weiblichen Geschlechterrolle entspricht. Hinzu kommt noch ein Phänomen, welches auch in der Wirtschaft häufiger zu beobachten ist: Vorstände stellen gerne Personal ein, welches ihnen selbst ähnlich ist. Da es auch einen eklatanten Mangel an Frauen in Führungspositionen im Sport gibt, ist die Tendenz Frauen einzustellen daher deutlich geringer, gerade im Anbetracht der Tatsache, dass Trainerjobs meist nicht offiziell ausgeschrieben, sondern durch Netzwerke vergeben werden. Durch den enormen Druck, der im Profifußball herrscht, sind Manager zudem kaum gewillt, ein großes Risiko einzugehen in dem sie eine Trainerin einstellen. Auch die Rahmenbedingungen des Fußballs sind nicht gerade zu Gunsten vieler Frauen. Eine Trainertätigkeit bedeutet viele Stunden Arbeit, vor allem in den Abendstunden und am Wochenende. In den unteren Ligen ist diese Arbeit darüber hinaus meist unbezahlt. Entsprechend schwer ist es, die Trainertätigkeit mit Familie und ggf. Beruf zu vereinbaren.
Doch auch die potenziellen Trainerinnen tragen ein Teil zum Mangel zu, denn vielen Anwärterinnen fehlt das Selbstbewusstsein, ambitionierte Ziele deutlich zu kommunizieren. Viele Trainerinnen neigen daher dazu, sich auf den Kinder- und jüngeren Jugendbereich zu konzentrieren, anstatt ältere Jugenden oder Senioren zu trainieren, was einen Eintritt in den späteren Profibereich deutlich erschwert. Wie deutlich die Unterschiede sind, zeigen die jährlichen Lizenzzahlen. Der Bayrische Fußball-Verband ist mit 1,6 Millionen Mitgliedern und 4.530 Vereinen der größte Landesverband Deutschlands. Doch während im Jahr 2019 2.247 Männer im Verband eine Lizenz erfolgreich absolviert haben, waren es zum Vergleich im selben Zeitraum gerade einmal 144 Frauen. Noch deutlicher ist der Unterschied auf DFB-Ebene. Dieser stellt mit der DFB-Elite-Jugend Lizenz, der A-Lizenz und der Fußballlehrer-Lizenz die höchst-möglichen Trainerlizenzen aus. Auf 1.040 Männer im Jahr 2019 kamen hier gerade einmal 42 Frauen.
Doch ein Blick auf andere Teamsportarten zeigt, dass sich der Männerfußball dort in bester Gesellschaft befindet. So werden zum Beispiel weder die Frauennationalmannschaften im Handball, Eishockey, Basketball noch Feldhockey von Frauen trainiert. Ähnlich verhält es sich im Ligabetrieb. Weder in der 1. Frauenfußball-Bundesliga noch in der Eishockeyliga gibt es momentan eine Trainerin. Im Handball werden nur vier von 14 Teams von einer Frau gecoacht, im Basketball sind es zwei. Doch gerade der Basketball zeigt, dass auch Frauen Männer trainieren können. Mit Sükran Gencay vom Eimsbütteler TV und der Spanierin Iria Uxía Romarís Durán vom ETB Wohnbau Miners trainieren gleich zwei Frauen einen Regionalligisten. Zudem war Daphne Bouzikou von 1999 bis 2008 Co-Trainerin bei den Frankfurt Skyliners. Die größte Trainerausnahme ist allerdings die ehemalige deutsche Hockeynationalspielerin Tina Bachmann. Von 2014 bis 2016 trainierte sie das Männerhockeyteam vom HTC Uhlenhorst Mülheim und gewann mit ihm sogar die deutsche Meisterschaft.
Doch mittlerweile gibt es auch im Fußball vereinzelte Lichtblicke. Zum einen sind Trainerinnen wie Imke Wübbenhorst und Inka Grings Vorbilder für junge Trainerinnen und zeigen, dass es zwar hart, aber nicht unmöglich ist, sogar im Männerfußball akzeptiert zu werden. Gerade Inka Grings geht sehr selbstbewusst mir ihrer Zielsetzung um, einmal Trainerin in der Männer-Bundesliga werden zu wollen. Zum anderen beweisen mittlerweile vereinzelt Fußballverbände, dass ihnen bewusst ist, dass Frauen mehr gefördert und ermutigt werden müssen. So hat der Fußball-Verband Mittelrhein zum Beispiel Trainerlehrgänge speziell für Mädchen sowie ein spezielles Mentorenprogramm ins Leben gerufen. Trotz aller Kritik darf zudem nicht vergessen werden, wie schwierig es generell ist, als Trainer in einer höheren Spielklasse Fuß zu fassen. Während im Amateurbereich ein Trainermangel herrscht, kämpfen in den obersten Ligen zahlreiche sehr gut ausgebildete Trainer um gerade einmal 56 Plätze in den drei höchsten Spielklassen und jedes Jahr kommen allein 25 neue deutsche Trainer hinzu, die die höchste Trainerlizenz durchlaufen haben, mit dem Ziel, sich dort zu etablieren. Wie hart der Konkurrenzkampf ist, verdeutlichen auch noch einmal diese Zahlen: Im Durchschnitt bleibt ein Bundesliga Trainer gerade einmal 506 Tage im Amt und seit Beginn der Bundesliga 1964 hat alleine der FC Schalke 04 54 Trainer verschleißt. Daher ist es nicht anzunehmen, dass es Frauen in der Zukunft allzu leicht gemacht wird, sich bei einem höheren Team zu etablieren. Doch das dies nicht unmöglich ist, lässt sich mittlerweile erahnen. Dafür braucht es allerdings ehrgeizige und kompetente Frauen, aufgeschlossene Männer und mutige Verantwortliche.
Richtig klasse Artikel. Ich freue mich sehr, dass ihr diese Reihe zusätzlich zu den persönlichen Geschichten begonnen habt. Ich hoffe da kommt bald noch mehr von!