Name: Josephine Henning 

Beruf: Künstlerin

Sport:  ehemalige Fußballerin 

Social Media: @josephine_henning

Homepage: https://josephinehenning.art/gallery/

 

Josephine im Stadion mit einem Kunstwerk in der Hand

Interview mit Josephine 

Wie kamst du zum Fußball?

Ich komme gebürtig eigentlich aus Mainz, bin aber in Trier aufgewachsen. Wir haben eine Zeit lang mitten in der Stadt gewohnt und sind dort Nachmittags oder wann immer es ging, meistens zum spielen, toben, kicken, usw. in den Palastgarten gegangen. Dort gibt es einen kleinen Bolzplatz-“Käfig“, indem wir oft mit meinem Papa und seinen Freunden gekickt haben. Ich erinnere mich, dass es total egal war, wer wie alt, woher oder wie gut war und vor allem, ob du ein Mädchen warst oder nicht. Nach ein paar Jahren sind wir ein bisschen weiter raus aus der Stadt gezogen und ich hatte Glück, dass es in Schweich/Issel ein Frauenfußball-Team gab. Mein allererster Verein also.

Was liebst du an deinem Sport?

Jeder Team-Sportler ist auch Einzel-Sportler, deswegen würde ich hier unterscheiden: Ich liebe es, mich auszupowern, eigene körperliche Grenzen auszutesten. Mich nicht zu „optimieren“, bis es nicht mehr geht, wie ein Roboter, sondern herauszufinden, wer ich als Spielerin bin. Welche Knoten kann ich lösen, obwohl ich vielleicht noch nicht ein mal weiß, dass da welche sind. Im Team liebe ich die Unterstützung und den Zusammenhalt zu spüren, es geht nichts über ein blindes Vertrauen in deine Mitspielerinnen. Vor allem aber liebe ich das Überraschungs-Momentum beim Fußball. Es gibt so viel Struktur, der Versuch so viel wie möglich zu kontrollieren, um das Beste Ergebnis zu erzielen, und doch lebt das Spiel von einer Kreativität und dieses klein bisschen Unberechenbarkeit macht doch die Spannung aus.

Wie lief dein Weg zur Leistungssportlerin ab?

Im Nachhinein lassen sich vielleicht eher die Wendepunkte oder Meilensteine erkennen. Wichtig waren zwei Punkte für mich: Zum einen der Schritt nach Saarbrücken auf das Sportinternat mit Anschluss an das Sport-Elite Gymnasium und den Verein 1.FC Saarbrücken. Zum anderen 3 Jahre später der Schritt von dort nach Potsdam zum damaligen Meister und damit auch meinem ersten Profivertrag. Auf dem Papier waren diese Schritte immer einen „Tick“ zu groß, aber dann doch gerade richtig. Ich hatte unglaublich viele Unterstützer auf meinem Weg und dafür bin ich sehr dankbar.

Wie viel Zeit hast du in deinen Sport investiert? 

Alles! Ehrlich – ich habe einfach alles, was ich konnte, investiert, weil ich wusste, dass ich talentiert bin, aber das nie im Leben reichen würde! Es gibt so Bauchgefühl und ich glaube, je jünger man ist, desto greifbarer und unbeschmutzter ist es noch. Eine Art Urvertrauen in dich selbst und wenn du dem folgst, fühlen sich verpasste Hochzeiten, Geburten, Geburtstage, Parties usw. nicht wie Entbehrungen an.

Hattest du mit Vorurteilen als Frau im Fußball zu kämpfen?

Ich könnte euch viele Beispiele nennen! Wichtig ist für mich aber eher: Wie habe ich damals reagiert, wie reagiere ich heute und wie wichtig ist eine Reflektion und eine Auseinandersetzung mit diesem Thema selbst, oder gerade dann, wenn ich denke ich habe noch keine Berührung damit gehabt.

Welchen Stellenwert hat der Frauenfußball in Deutschland derzeit?

Diese Frage bekomme ich oft zu hören. Ich frage mich dann immer, ob sie nicht zu generell gestellt ist. Im Vergleich zu was? Im Vergleich zu den Handballfrauen – haben wir definitiv mehr Sendezeit. Im Vergleich zu den Männer? Tja wahrscheinlich verhältnismäßig gar keinen. Das Streben und den Drive nach professionelleren Strukturen und dem nächsten Level, darum geht es! Soll der Frauenfußball mehr Aufmerksamkeit verdienen? Ja! Weil tausende Mädchen sozial und körperlich an diesem unglaublich tollem Spiel profitieren und Spaß haben!

Josephine mit einem Kunstwerk in der Hand

Was würdest du den Menschen antworten, die stets das Bedürfnis haben, Männer-und Frauenfussball miteinander zu vergleichen?

Ich würde fragen, ob sie das beim Tennis zum Beispiel auch machen.

Gibt es denn gewisse Aspekte, in denen der Frauenfußball sogar besser ist?

Perfekte Frage und gleichzeitig das perfekte Beispiel für diesen ständigen Vergleich. Ich kann mir kein Szenario vorstellen, in dem es wichtig wäre, diese Frage zu beantworten. Auf dem Weg der professionellen Weiterentwicklung können wir aber nach links und rechts gucken und aussortieren, was wir aus anderen Sportarten oder eben auch aus dem Männerfußball nicht übernehmen wollen/sollten.

Was sind deine schönsten Erinnerungen / größten Erfolge / lustige Anekdoten?

Sportlich gesehen wäre das natürlich der Olympiasieg oder die Championsleague-Finals. Aber für mich sind die größten Erfolge nicht automatisch auch immer die schönsten Erinnerungen, das ist glaube ich nicht nur im Profisport so. So einfach es klingen mag, aber oft ist es die gemeinsame Zeit mit Menschen, die ich schätze.

Wann wusstest du, dass es ist Zeit ist, aufzuhören?

Ich habe meine Karriere mit einem schweren Knorpelschaden gestartet, deswegen war ich nie wirklich verletzungs- oder schmerzfrei. Mit richtigem (Zusatz)-Training habe ich für mich einen Weg gefunden weitere 15 Jahre spielen zu können und bereue das auch nicht. Sobald meine Ziele mit 28 erreicht waren habe ich aber auch gemerkt, wie mein Körper quasi darum kämpft, endlich aufhören zu dürfen. Da meine Ziele sich mehr und mehr in die Kunst verschoben haben, war das für mich auch der richtige Zeitpunkt aufzuhören. Rückblickend habe ich es also eher als Niederlage empfunden wenn mein Körper sich die Pausen „geholt hat“, weil das meistens bedeutet hat, dass ich vorher nicht hingehört habe.

Du machst jetzt beruflich etwas ganz anderes. Wie kam es dazu? 

Stimmt! Allerdings habe ich schon während meiner Fußballzeit viel gezeichnet, gemalt und ausprobiert, auch neben den Studiengängen (Grafikdesign und Interior Design). Für mich war im Hinterkopf immer klar: irgendwann wird es sich einfach drehen und damit Sport zum Hobby und die Kunst zu meinem Beruf werden. Auf Grund des Lockdowns muss meine nächste Ausstellung im Sportmuseum in Köln noch ein bisschen warten, aber ich freue mich, wenn es dann so weit ist und die Werke des letzten Jahres dort zu sehen sein werden. Hauptsächlich Live-paintings von Fußball/Sport Matches. Im Moment bin ich gerade bei der Gestaltung für ein Medaillen Set und einen Pokal für ein FIFA Turnier. Das ist zum Beispiel mal etwas, was aus dem Rahmen fällt, aber Spaß macht, weil die Verbindung zum Fußball natürlich da ist. Hauptsächlich male ich trotzdem im Atelier, bzw. ich liebe Live-paintings und wann immer es sich corona-conform machen lässt, male ich live.

Was wünscht du dir für die Zukunft? 

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte dann, dass diese verrückte Zeit schlummerndes kreatives Potential, Humor und Optimismus bei den Menschen weckt. Für mich persönlich möchte ich meine Kunst dauerhaft mit sozialen Einrichtungen/Organisationen und einfallsreichen Projekten verbinden können.