Name: Canan Timurdas
Beruf: Masterstudentin
Sportbezug: Fußball / Praktikantin beim Fußball-Verband Mittelrhein e.V.
Instagram: cani.tim
Verein: www.ofv.de
Verband: www.fvm.de

Foto: Heldt/OFV

Canans Story

Unbewusst fand Xavier Naidoo 2005 – einige Zeit, nachdem ich zum ersten Mal in meine weinroten Nike Total 90 geschlüpft war, um mit meinen Freundinnen beim Oberkasseler FV Fußball zu spielen – die richtigen Worte zur musikalischen Untermalung meines Karrierebeginns: „Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer“. Schwer war damals vor allen Dingen ich, denn bis dato reizte mich der übermäßige Konsum fettiger Kartoffelprodukte weitaus mehr als sportliche Betätigung (Kleiner Plottwist: Auch heute schätze ich eine regelmäßige Chips- und Pommeszufuhr sehr hoch, allerdings halten sich Ess- und Sportverhalten die Waage, hahaha, Wortwitz!). Ich war also nicht nur übergewichtig und langsam, sondern auch echt schlecht, ließen sich meine fußballerischen Erfahrungen bis dato doch auf Arschschießen mit den Freunden und Freundinnen meines kleinen (sic!) Bruders, bei dem komischerweise immer ich verlor, komprimieren.

Ich avancierte trotzdem schnell zum Teil des Teams und kam zum ersten Mal mit der Magie des Fußballs in Verbindung: Bei uns wurde jeder so genommen, wie er war und niemand interessierte sich dafür, ob du bereits den Jay-Jay-Okocha kannst oder erstmal noch lernen musst, einen graden Pass zu spielen, ob du übergewichtig bist, Akne hast, eine Zahnspange tragen musst. 

Es ist auch egal, ob deine Eltern aus der Türkei, aus Tunesien, aus Syrien oder Italien kommen und ob sie ein eigenes Haus besitzen oder im Plattenbau wohnen; ob du das christliche Gymnasium besuchst oder auf der Hauptschule bist. Wichtig war immer nur das, was auf dem Platz passierte; wichtig war, dass wir, egal, wie unterschiedlich wir waren, in den wichtigen Momenten zusammenhielten, dass wir gemeinsam alles gaben, uns bei Niederlagen aufbauten und uns gegenseitig bei Siegen feierten. Klingt fast ein bisschen zu romantisch, war aber wirklich so. Heute kann ich sagen: Einem kleinen schüchternen Mädchen, das sich in der Ambivalenz des eigenen Lebens manchmal zu verlieren droht, können solche Erfahrungen bei der Persönlichkeitsentwicklung immens helfen und die richtige Richtung weisen.

Als es dann Jahre später darum ging, berufliche Erfahrungen im Bereich Medien/Journalismus zu sammeln, habe ich eine Tätigkeit im Fußball ehrlicherweise zu keiner Sekunde ins Auge gefasst. Ich musste mich erst auf die Stellenausschreibung in der Abteilung Medien und Kommunikation beim Fußball-Verband Mittelrhein e.V. hinweisen und zu einer Bewerbung überreden lassen, und auch, als die Einladung zum Vorstellungsgespräch kam, war ich mir noch nicht sicher, ob es mir gelingen würde, eine solche Position auszufüllen.

Glücklicherweise fand ich persönlich mich äußerst selten in Situationen wieder, in denen man mich nicht ernst nahm, weil ich als Mädchen/Frau Fußball spielte. Im Gegenteil – die meisten Leute in meinem Umfeld, egal ob alt, jung, weiblich oder männlich, fanden das sogar ziemlich cool, zumal ich mit 16 in die Landesliga-Damenmannschaft des Oberkasseler FV kam und somit höher spielte als alle meine männlichen Klassenkameraden. 

Man hört, liest und sieht, wenngleich ein Umdenken in der Gesellschaft bereits spürbar ist, jedoch auch heute noch immer wieder, dass Frauen und Sport, respektive Frauen und Fußball, nicht konform gehen. Man möge sich nur in den Kommentarspalten sozialer Netzwerke umschauen um sogleich festzustellen, dass dies noch eine der netteren Unterstellungen ist.

Kurzum: Diese Gedanken beschäftigten mich immens, ich traute mir die Arbeit im Fußball zunächst nicht zu und wurde wieder zum schüchternen Mädchen von damals. Rückblickend betrachtet bin ich mehr als froh, meine eigenen Unsicherheiten zunächst erfolgreich überspielt, dann über Bord geworfen und den Sprung in das kalte Wasser gewagt zu haben. Die Gedanken, die ich mir vor und während des Bewerbungsprozesses machte, hätte ich mir allesamt sparen können, denn tatsächlich interessierte man sich ausschließlich für mich und meine Arbeit; mein Geschlecht spielte keine Rolle. 

Ich habe in meiner Praktikumszeit nicht nur mein berufliches Ziel konkretisieren und unheimlich viele berufliche Erfahrungen sammeln können, sondern durfte auch zum Gelingen mehrerer Großveranstaltungen – das DFB-Pokalfinale der Frauen 2018, das FVM-Pokalfinale 2018 und das Länderspiel Deutschland–Saudi-Arabien – beitragen und habe darüber hinaus eine Menge toller Menschen kennengelernt. 

Das wäre mir alles durch die Lappen gegangen, wenn ich mich damals nicht getraut hätte, dass Praktikum zu machen. 

Dabei sind die Möglichkeiten der Spezialisierung in verschiedenen Bereichen des Sports in der heutigen Zeit fast grenzenlos. Was meine „Sportkarriere“ betrifft, will ich mir irgendwann nach dem Studium wieder einen Verein suchen. Doch dann vielleicht wieder im Handballtor statt auf dem Fußballfeld. Doch mal schauen, wo es mich hinzieht. Wer weiß, vielleicht führt mein Weg auch mehr in die Kletter- oder Boulder-Halle. Eine Leidenschaft, die ich in den letzten Jahre auch durchs Studium entdeckt habe.

Mein Tipp an andere:

Um es in den Worten Kafkas zu sagen: „Solange du nicht zu Steigen aufhörst, hören die Stufen nicht auf; unter deinen steigenden Füßen wachsen sie aufwärts“. Was ich damit meine, ist ganz simpel: Trau dich, (neue) Dinge zu tun, und du wirst vorwärts kommen. Und wenn du selbst den Mut gefunden hast, kannst du auch gleich andere Leute mitreißen und „empowern“.