der Fußball-Verband Mittelrhein (FVM) einige Initiativen gestartet hat, um Mädchen* und Frauen* im Fußball zu stärken?
WM 2006. Ein ganzes Land lebt und liebt den Fußball – nicht nur während, sondern auch nach dem Turnier. Der Fußball in Deutschland boomt wie schon lange nicht mehr und die Mitgliederzahlen in den Vereinen wachsen sprunghaft an. Zwar ist der Fußball mit rund sieben Millionen Mitglieder*innen nach wie vor der beliebteste Sport hierzulande, doch von dem Boom ist nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil.
„Nach der erfolgreichen WM 2006 hatten wir uns auch einen ähnlichen Push durch die Frauenfußballweltmeisterschaft 2011 in Deutschland erhofft, doch dieser blieb leider aus. Besonders im Mädchen- und Frauenfußball, bundesweit, aber auch bei uns im FVM-Gebiet haben wir nun schon länger mit rückläufigen Zahlen zu kämpfen. Besonders auffällig ist dies bei der Zahl der gemeldeten Frauenteams. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl hier von 360 auf 249 gesunken. Klar können wir hoffen, dass die EM 2021 (Anm. EM 2020 wurde corona-bedingt ein Jahr verschoben) und 2024, die ebenfalls in Deutschland stattfinden, erneut einen Boom auslösen. Doch bis dahin ist es noch etwas und unser Anspruch kann es auch nicht sein, uns von Großevent zu Großevent zu hangeln,“ so Sandra Fritz, Referentin für Fußball- und Vereinsentwicklung im Fußball-Verband Mittelrhein (FVM). Stattdessen soll nun ein strategischer Ansatz her, um systematisch den Mädchen- und Frauenfußball in der Region zu stärken. Doch zuvor muss man überhaupt verstehen, wo die Probleme liegen.
„Die Gründe für den Rückgang sind ganz vielfältig. Ein großer Trend ist zum Beispiel die Entwicklung hin zur Individualisierung. Viele Jugendliche möchten keine Verpflichtung mehr eingehen, die ein Teamsport wie der Fußball mit regelmäßigem Training und Spielbetrieb mit sich bringt. Manche suchen sich daher andere Sportarten oder gar ganz andere Hobbies. Diese Entwicklung können wir als Verband nur schwer aufhalten. Doch an manchen Punkten können wir ansetzen. Zum Beispiel geben viele Mädchen als Drop-Out-Grund an, dass sie nicht mit den Trainer*innen zurecht kommen bzw. die Trainingsqualität zu wünschen übrig lässt. Dies wollen wir mit unserem Mentor*innenprogramm ändern,“ berichtet Fritz.
Initiiert vom FVM und unterstützt vom Deutschen Fußball-Bund (DFB), dem Westdeutschen Fußballverband (WDFV) und KOMM MIT werden in diesem Jahr erstmalig Trainer*innen von C- bis E-Jugend-Mädchenmannschaften von Mentor*innen unterstützt. Die Mentor*innen, die alle mindestens die B-Lizenz haben, leiten dabei allerdings nicht das Training, sondern entwickeln gemeinsam mit den Trainer*innen und Vereinen Konzepte und Strategien. „Das Angebot wurde großartig angenommen und 30 Vereine haben sich gemeldet. Zudem haben sehr viele angefragt, ob wir das Angebot nicht auch auf die jüngeren Jahrgänge ausweiten können. Im ersten Schritt betreuen unsere sieben Mentor*innen nun erst einmal die Vereine, deren Mädchen-Trainer*innen keine Lizenz haben. Im nächsten Schritt kommen dann die anderen Vereine zum Zuge. Wir werden das Projekt auch im Anschluss u.a. gemeinsam mit Spielerinnen evaluieren und dann nochmal an ein paar Stellschrauben drehen. So hoffen wir, das Projekt dann auch langfristig etablieren und den gesamten Bedarf abdecken zu können“, erklärt FVM-Jugendbildungsreferentin Laurin Lux. Wie wichtig dem FVM das Projekt ist, zeigt auch folgende Tatsache: Das Projekt wird nur nicht von ihr betreut, sondern es wurde extra ein Projektkoordinator eingestellt.
Das Mentor*innen-Programm ist jedoch nicht das einzige Projekt im FVM, das Trainer*innen zur Zielgruppe hat. Laurin Lux dazu: „Wir bieten regelmäßig „DFB-Junior Coach – Only Girls“-Kurse an. „Es ist eine Art Vorlizenz für den Trainerschein und bietet so die Möglichkeit, einfach mal ins Coach-Sein reinzuschnuppern. Die Einheiten werden zudem angerechnet, so dass man später eine verkürzte C-Lizenz machen kann. Bei vielen Mädels ist es so, dass sie zwar ‚leichtes‘ Interesse haben, sich aber noch nicht so richtig trauen, mit Jungs gemeinsam einen Lehrgang zu absolvieren. Vor allem beim Praxisteil halten sich die Mädchen oft zurück. Bei dem Only Girls-Lehrgang sind sie hingegen unter sich und können aus sich herauskommen. Die Kurse sind meistens bereits nach ein bis zwei Wochen ausgebucht.“ Und Sandra Fritz ergänzt: „Grundsätzlich sind wir ein Verfechter von gemischten Lehrgängen und bieten diese ja auch normalerweise an. Ich glaube nämlich, dass man viel voneinander lernen kann. Aber es gibt eben unterschiedliche Charaktere und so z.B. auch Frauen, die sagen, sie würden niemals einen gemischten Lehrgang machen. Unser Hauptziel ist es, dass wir möglichst viele qualifizierte Trainer*innen gewinnen. Deswegen versuchen wir, die Angebotspalette möglichst breit zu gestalten, um so viele wie möglich damit zu erreichen.“
Doch nicht nur bei den Trainer*innen will der FVM ansetzen, sondern auch den Fußballsport insgesamt zugänglicher für Frauen machen. So findet Sandra Fritz: „Wir müssen weg davon, dass Fußball nur „11 gegen 11“ ist. Viele Mannschaften und Staffeln haben Probleme, einen Spielbetrieb zustande zu bekommen. Aber beim Kinderfußball sehen wir es ja jetzt auch: Kleinere Felder und weniger Spieler*innen tun dem Fußball gut. Warum also nicht „3 gegen 3“ oder „4 gegen 4“ spielen und so den Druck rausnehmen?“ Deswegen treibt der FVM auch gerade seine Planungen voran, eine Art „Mädchenspielefest“, ähnlich dem Konzept bei den Bambinis, zu initiieren. Das würde nicht nur dem Mädchenfußball entgegen kommen, sondern auch dem deutschen Fußball allgemein, der sich zuletzt nach mehr „Bolzplatzkickern“ gesehnt hat. Zudem sind gemeinsam mit den FSJ’ler*innen mehr Kita und Schul-AGs geplant, wo es nicht nur, aber auch um Fußball geht und so die Freude am Sport geweckt werden soll.
Ebenfalls wieder im Fokus: Die Förderung von Frauen, die sich für Führungspositionen im Fußball interessieren. Bereits vor einigen Jahren bot der FVM ein Leadership-Programm für Frauen an, welches im Rahmen des DFB-Masterplans entstanden ist. Nun soll es fortgesetzt werden: „Eigentlich wollten wir dieses Jahr schon wieder starten, dass ging aber corona-bedingt leider nicht. Deswegen ist es jetzt für 2021 vorgesehen und zwar im ‚Blended LearningFormat‘ – das bedeutet in einem Wechsel von Präsenz- und Onlinephasen, “ erklärt Sandra Fritz. Für das Leadership-Programm können sich alle Frauen bewerben, die im ehrenamtlich im Fußball aktiv sind oder es vor haben. Dabei ist es egal, ob sie Trainerin, Kassenwartin oder im Vorstand tätig sind.
Mit seinen Aktivitäten geht der FVM mit gutem Beispiel voran – nicht nur im Jubiläumsjahr „50 Jahre Frauenfußball in Deutschland“, sondern auch darüber hinaus. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie erfolgreich diese Maßnahmen sind. Doch der FVM setzt zumindest ein Zeichen, dass ihm die aktuellen Entwicklungen bewusst sind und er die Frauenförderung in den unterschiedlichsten Bereichen voranbringen will. Dafür ist er auch bereit, neue Wege zu beschreiten und hofft damit, Vorbild für andere Verbände zu werden und vor allem den Mädchen- und Frauenfußball in Deutschland so zu stärken, wie er es verdient.
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