Name: Annika

Beruf: Studentin Master of Science Psychologie

Sportbezug: Athletin Landeskader Para-Badminton

Instagram: @annika_schrd

Annika beim Parabadminton

Annikas Story

Para-Dressurreiten und Para-Badminton – zwei komplett unterschiedliche Sportarten und doch meine beiden Leidenschaften. Wie es dazu kam und wie ein aktives, sportliches Leben trotz oder dank meiner Behinderung möglich ist, möchte ich euch in dem folgenden Beitrag berichten: 

Um meine Sportgeschichte nachzuvollziehen, solltet ihr wissen, dass ich mein Handicap (einen inkompletten Querschnitt) schon mein Leben lang habe. Trotzdem war und ist es mir möglich, kurze Strecken zu Fuß zurückzulegen. Als Kind bin ich alle Strecken gelaufen, der Rollstuhl hat erst im Rahmen des Sports seinen Weg in mein Leben gefunden, aber dazu später….

Ausgangspunkt meines sportlichen Ehrgeizes war die Freude am Sport und der hartnäckige Wunsch als Kind, mit allen Gleichaltrigen mithalten zu können und keine „Sonderregeln“ zu erhalten. Was meine – körperlich uneingeschränkte – Zwillingsschwester machte, wollte ich auch können. So kam es, dass ich zum Beispiel beim Sportunterricht in der Schule und bei den ansonsten mittelmäßig beliebten Sportfesten und Bundesjugendspielen immer am Start war. Natürlich mit vergleichsweise unterirdischen Werten, aber alle wussten, dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten alles gegeben hatte und so war es für alle in Ordnung.

Außerdem entscheidend war, dass meine Familie mir immer alles zugetraut und mich darin bestärkt hat, alles auszuprobieren. Dafür bin ich besonders meinen Eltern sehr dankbar. So hat meine Mutter beispielsweise, als meine Sportlehrerin in der Grundschule erklärte, sie sei für behinderte Kinder nicht ausgebildet und könne mich deshalb nicht am Sportunterricht teilnehmen lassen, kurzerhand zugesagt, sich 3x pro Woche in die Sporthalle meiner Grundschule zu setzen, um offiziell die Verantwortung zu tragen, damit ich am Sportunterricht teilnehmen durfte. Danke!

Zurück zu meinem 9-jährigen, laufenden Ich:

Meine gesamte Schulzeit habe ich im Reitstall verbracht, mit 14 erfüllte sich der wohl größte Traum vieler Reiter*innen: Das erste eigene Pferd für meine Zwillingsschwester und mich. Mit ihm habe ich ca. 3-4x pro Woche trainiert und auch ansonsten jede freie Minute im Stall verbringen dürfen.

Die Versorgung eines Pferdes bringt neben dem Reiten an sich natürlich auch einige weitere, körperlich anstrengende Aufgaben mit sich, aber meine Schwester und ich waren schon immer ein eingespieltes Team und so haben wir jede meiner Herausforderungen (Laufen auf einer tiefen, matschigen Weide, Pferde einfangen, Sättel auf zu hohe Sattelhalter hieven…) gemeinsam gemeistert. Mit der Zeit konnten wir unser Pferd entsprechend auf meine Bedürfnisse hin trainieren. Aufgrund meines Handicaps fiel es mir beispielsweise schwer mit den Schenkelhilfen einzuwirken und die allgemeine Kraft in den Beinen ist bei mir verringert. Aber mit viel Training, einem stets motivierten Pferd und der Unterstützung meiner Trainerin konnte ich auch auf einigen „normalen“ Turnieren gegen Reiter ohne Handicap Schleifen sammeln.

Mit der Zeit wuchs der Wunsch zu testen, wie weit ich im Para-Sport kommen würde. Ich habe mich zwischen den Reiter*innen ohne Handicap sehr wohl gefühlt, aber im Hinterkopf blieb der Gedanke, dass ich durch mein Handicap eine andere Ausgangsposition hatte und dadurch im „gesunden“ Sport langfristig begrenzt sein würde.

Außerdem fiel durch mehrfache, langwierige Verletzungen unseres Pferdes im Sommer meines Abiturs die Entscheidung, dass unser Pferd sich die Rente auf der Weide nun wirklich verdient hatte. Damit stellte sich natürlich die Frage, ob und wie es weitergehen könnte, aber durch einige weitere Faktoren, wie den allgemeinen logistischen und finanziellen Aufwand, den der Pferdeleistungssport mit sich bringt, und den Umzug in meine Studienstadt, entschied ich mich, das Kapitel Reitsport abzuschließen. 

Ich begann mein Psychologiestudium und die Suche nach einer neuen Sportart im Para-Sport. Eine Kommilitonin an der Uni spielte Rollstuhlbasketball und nahm mich mehrere Male zum Probetraining mit. Hier saß ich dann zum ersten Mal in meinem Leben in einem Rollstuhl. Jedoch merkte ich nach kurzer Zeit, dass diese Sportart nicht „meine“ würde. Kurz später habe ich an einem Lehrgang der Sitzvolleyballnationalmannschaft teilgenommen. Dies hat mir sehr viel Spaß gemacht und die Truppe hat mich das ganze Wochenende super nett aufgenommen. Jedoch war zu dem Zeitpunkt der nächste Sitzvolleyball-Verein über 2 Autostunden entfernt. Daher schied das leider ebenfalls aus.

Im Frühjahr 2016 bin ich dann über Facebook auf einen Schnupperlehrgang im Para-Badminton bei dem damaligen Bundestrainer aufmerksam geworden. Ich hatte noch nie davon gehört, aber meine Schwester hatte in der Schulzeit einige Jahre Badminton gespielt und ich war neugierig, inwiefern Badminton nun für mich möglich sein könnte. Als erste Übung sollten wir mit dem Schläger Luftballons in der Luft halten. Gleichzeitig den – nach wie vor ungewohnten – Rollstuhl zu steuern war gar nicht so leicht und ich fand die Übung ehrlich gesagt so doof, dass ich Badminton kurz gedanklich wieder verworfen hatte 😀 Aber dann kam der Federball ins Spiel und es machte mir immer mehr Spaß. Der Tag endete mit dem Vorschlag, mir doch die am folgenden Tag stattfindende Deutsche Meisterschaft mal anzuschauen, bei der Gelegenheit ein paar Spieler*innen kennenzulernen und mit dem Klassifizierer vor Ort zu prüfen, in welcher Spielklasse ich spielen könnte. Also kam ich am nächsten Tag wieder, knüpfte erste Kontakte, die Spielklasse (WH2) war schnell gefunden und als ich ermutigt wurde, beim Badminton zu bleiben, viel zu trainieren und in Zukunft selbst an der Deutschen Meisterschaft teilzunehmen, war mein Eindruck geweckt, dass hier eine Perspektive in Richtung Leistungssport auch für mich möglich sei. Mein Ehrgeiz war geweckt!

Am Anfang spielte ich einmal pro Woche in Dortmund, da hier eine Para-Badminton Gruppe beheimatet war und mein Mixed-Partner mir netterweise lange Zeit einen Sportrollstuhl zur Verfügung stellte. Auch an dieser Stelle vielen Dank dafür! Damit sind wir auch schon bei einer der größten Herausforderungen beim Einstieg in den Sport: Spezielle Para-Badminton-Gruppen sind in Deutschland weit verstreut und rar. Um ein Umkippen mit dem Rollstuhl zu verhindern und sich schneller auf dem Feld bewegen zu können, ist jedoch recht schnell ein spezieller Sportrollstuhl mit entsprechendem Kippschutz nötig. Dieser ist leider sehr teuer und muss bis auf wenige Ausnahmen selbst finanziert werden.

Nach knapp zwei Jahren hatte ich einen eigenen Sportrollstuhl und konnte mir einen „normalen“ Badmintonverein an meinem Studienort suchen und dank der geringeren Fahrtzeit nun auch öfter trainieren. Grundsätzlich ist es sehr gut möglich, als Rollstuhlfahrer*in mit den „Fußgänger“-Badmintonspieler*innen zusammen zu spielen, da das Feld und die Netzhöhe identisch sind. Rollstuhlfahrer*innen spielen lediglich ohne Vorderfeld und nur auf dem Halbfeld. Da Para-Badminton eher eine Nischensportart ist, war ich außerhalb der Para-Badminton Gruppe in Dortmund immer die einzige Spielerin im Rollstuhl in meinem Verein. An dieser Stelle ist Eigeninitiative und Selbstbewusstsein gefragt, da man selten zu einer bestehende Trainingsgruppe dazu stoßen kann und manchmal sein Gegenüber ein bisschen davon überzeugen muss, dass man als Rollstuhlfahrer*in gut integrierbar ist. Ich bin bisher aber immer auf sehr viel Interesse, Neugierde und nicht zuletzt immer auf große Bereitschaft gestoßen, Para-Badminton zu ermöglichen. Also nur Mut ;).

Aktuell habe ich in meiner Studienstadt die Möglichkeit mehrmals pro Woche in einem „normalen“ Badmintonverein zu trainieren. Hier wird mir sehr entgegen gekommen und vieles möglich gemacht. Zudem trainiere ich seit dem letzten Jahr mit der Para-Badminton Nationalmannschaft, wodurch ich sehr gefordert und gefördert werde, und bin seit kurzem im Landeskader Niedersachsen.

Das ist in zweierlei Hinsicht eine große Motivation: Auf der einen Seite empfinde ich unter den anderen Para-Badminton-Spieler*innen eine größere Gruppenzugehörigkeit und kann hier sehr von dem organisierten Training und den Trainingsplänen profitieren. Außerdem ist es immer wieder super schön, die anderen Para-Badminton-Spieler*innen und Trainer zu sehen und sich mit diesen auf und neben dem Feld auszutauschen. Auf der anderen Seite profitiere ich spielerisch stark davon, von den Erfahrungen der anderen Athlet*innen zu lernen, mit diesen trainieren zu dürfen und auf hohem Niveau Feedback zu bekommen. Auch hier wurde ich seit meinem ersten Besuch bei der Deutschen Meisterschaft 2016 von allen Seiten sehr offen und herzlich aufgenommen und immer „mitgezogen“. Auch das ist sicher ein großer Faktor, weshalb ich beim Badminton geblieben bin und meine Begeisterung für Para-Badminton stetig gewachsen ist. Danke dafür! 🙂

Mein Tipp an andere:

Lasst euch auch von Spieler*innen, Reiter*innen etc. ohne Handicap fordern und damit fördern. Gleichzeitig hat es mir jedoch auch sehr gutgetan, mich davon an einem bestimmten Punkt zu lösen, und meine Möglichkeiten im Para-Sport neu zu testen.

Gerade im Para-Sport muss man jedoch leider häufig weite Fahrtwege in Kauf nehmen und sich am Anfang mit viel Eigeninitiative um Trainingsmöglichkeiten und Ausrüstung wie einen Sportrollstuhl kümmern. Lasst da nicht locker, wenn euch der ein oder andere lokale Verein z.B. aufgrund fehlender Barrierefreiheit in den Hallen nicht aufnehmen kann. Vielleicht kann es dann der zweite oder dritte Verein.

Und lasst euch nicht davon verunsichern, die Einzige mit Handicap im Verein zu sein. Geht offen auf die Leute zu und bleibt immer dran, dann bekommt ihr auch sehr viel Unterstützung zurück :-). Viel Spaß!