Name: Birgit Kober

Beruf: Studium zur Pädagogin / derzeit gefördert durch die Bundeswehr/Bundesinnenministerium als Para-Leistungssportler

Sport:  Leichtathletik (Kugelstoßen) in der Para-Nationalmannschaft

Social Media: www.birgitkober.de 

Instagram: throwholic

Podcast: #läuft – Alltagsschnipsel eines Paraleistungssportlers

Birgit bei einem Kugelstoßwettkampf für die deutsche Nationalmannschaft

Interview mit Birgit

Wie ist dein sportlicher Werdegang?

Schon als Kind/Jugendliche (nicht-behindert) habe ich Leichtathletik gemacht. Hauptsächlich Mehrkampf, aber ich war auch sehr gut im Speerwerfen. Zusätzlich war ich auch im Wintersport aktiv (Alpinski), habe gerne Fußball gespielt und auch Tischtennis.

Nach einem Behandlungsfehler im Jahr 2007, durch den meine Hauptbehinderung entstanden ist, habe ich im Fernsehen eine Reportage im Vorfeld zu den Paralympics in Peking 2008 gesehen und da waren Werfer, die im Sitzen geworfen haben. Zuerst hatte ich gehofft, dass mir das Training vielleicht als Krankengymnastikersatz dienen könnte. Es war dann allerdings schnell mehr als das.

Am Anfang haben wir mich noch im Rollstuhl festgezurrt, mit Matten um mich herum, weil die Ataxie (die Koordinationsstörung) zu diesem Zeitpunkt so unberechenbar war. Der Sport/das Training hat mir geholfen, sie zu kontrollieren.

2011 bin ich zu meiner eigenen Verwunderung zum ersten Mal mit großem Erfolg bei einer Weltmeisterschaft und 2012 in London bei den Paralympics gestartet. Und jetzt stehe ich – vorausgesetzt die Paralympics finden statt – vor meinen dritten Paralympics.

Woher kommt deine Liebe zum Sport?

Als Kind habe ich stark gestottert und wurde deshalb auch sehr gemobbt. Die Musik, das Singen und auch der Sport waren mein Zufluchtsort. Hier brauchte ich nicht viel zu Reden, hier hat meine Leistung gezählt. Ich konnte mir auch den ganzen Frust von der Seele werfen, beziehungsweise (damals noch) rennen. Bis heute bin ich eine „Frustwerferin“ geblieben. Es ist die Liebe zu meiner Disziplin, aber ich kann allen Ärger mit dem Wurfgerät weghauen.

Wie kamst du zum Parasport auf Leistungsniveau?

Fokussierung auf mein Ziel, Training,  Training und nochmal Training. Und wenn es halt mal am Olympiastützpunkt nicht klappt, dann muss man kreativ werden, sich eine Wiese suchen, eventuell in die Tiefgarage gehen oder auf YouTube Videos anschauen.

Was motiviert dich?

Als ich 2007/2008 mit dem Training angefangen habe, da war meine Behinderung extrem stark ausgeprägt. Mein damaliger Trainer (dem ich sehr viel verdanke!) sagte damals: „Was geht, das geht, was nicht geht, das geht halt nicht!“ Wir haben viel ausprobiert und es waren oft unorthodoxe Methoden (nichts Schlimmes, aber nicht unbedingt „normales Training“). Ich bin oft an meine Grenzen gestoßen und habe mich darüber gequält und das war gut so. Nach den Paralympics 2012 konnte ich die ersten wackeligen freien Schritte laufen. Ich wollte mich immer weiter und weiter entwickeln, auch wenn das schwierig war und ich zuweilen den Eindruck hatte, dass ich immer wieder bei Null anfangen muss (also beim Stoßen).

2013/2014 habe ich meine Startklasse gewechselt, weil ich aus dem Stehen starten wollte, ich wollte das nutzen, was ich mir erarbeitet hatte, aber es war so unendlich schwer, die Technik aus dieser Position neu zu erlernen. Ich habe es geschafft. Natürlich motivieren mich Bestleistungen, aber vor allem motiviert es mich, wenn meine Behinderung sich stabilisiert, das ist phänomenal. Trotzdem merke ich, dass es immer eine Grenze geben wird, die ich nicht durchdringen kann, aber das ist nicht schlimm.

Was ist das Besondere an deinem Sport?

Ich bin Kugelstoßerin und das Besondere an meinem Sport ist, dass es eine hoch technische Disziplin ist, die man im Training in seine Einzelteile zerlegen kann und dann wird der Bewegungsablauf wieder zu einem großen Ganzen zusammengefügt. Stimmt alles dann, dann ist das ein phänomenales Gefühl. Entsprechend vielfältig ist das Training und wird – mir persönlich – nie langweilig.

Durch das Kugelstoßen habe ich mein Leben zurückbekommen. Ich habe ja bereits erläutert, dass es mich persönlich, auch – was meine Behinderung betrifft – sehr weitergebracht hat. Ich bin noch nie ungern ins Training gegangen. Es macht mir immer Freude, weil ich hier auch vergessen kann, dass ich eine Behinderung habe. Im Ring ist sie für mich nur minimal existent. Der Geruch des Tartans in der Halle, in der ich trainiere, vermittelt fast ein Gefühl von Zuhause. Es ist der selbe Geruch wie früher als Kind als ich dort auch schon Wettkämpfe bestritten habe. Dieser Sport hält mich einfach lebendig.

 Was waren deine größten sportlichen Erfolge?

Ich habe 3 Goldmedaillen bei Paralympischen Spielen gewonnen und insgesamt 14 Goldmedaillen in Folge (Paralympics, WM und EM).

Wo sind die Gemeinsamkeiten / Unterschiede für dich im Sport als Person mit / ohne Behinderung?

Vom Training her sehe ich kaum einen Unterschied, denn wir haben meist ein ähnliches Trainingspensum. Die Förderung von der Sporthilfe, auch die Prämien (beim Olympischen und Paralympischen Spielen) wurden jetzt angeglichen, auch das setze ich unter Gemeinsamkeiten.

Sportlerinnen und Sportler ohne Behinderung können natürlich ganz „normal“ gegeneinander starten, vorausgesetzt, sie haben die Quali-Norm erreicht. Bei uns ist es so, dass wir aufgrund unserer Behinderung in Startklassen eingeteilt werden (müssen), sonst wäre jeder Wettkampf eine Farce. Qualifikations-Normen haben wir natürlich genauso.

Paralympics und Olympische Spiele finden am gleichen Ort statt, die Athletinnen und Athleten werden auch gleich eingekleidet, Europa- und Weltmeisterschaften finden an unterschiedlichen Orten statt.

Athletinnen und Athleten mit einer Behinderung werden eher selten zu einem Wettkampf eingeladen zu dem es Preisgeld gibt, für solche ohne Behinderung ist dies normal. Sie haben auch meist mehrere Sponsoren, ich betone meist. Es gibt da auch diverse Ausnahmen. Mittlerweile finden Athletinnen und Athleten mit einer Behinderung auch Sponsoren, aber die Mehrzahl tut sich hier noch schwer. Was die Öffentlichkeitsarbeit und Präsenz in der Öffentlichkeit betrifft, so gibt es natürlich die sozialen Netzwerke, aber das meine ich nicht. WM- und EM-Berichterstattung wird bei uns besser, hinkt aber noch weit hinter der im nicht-behinderten Bereich hinterher.

Beim Training und der Versorgung an den Olympiastützpunkten gibt es eigentlich kaum Nachbesserungsbedarf, außer vielleicht, dass uns Trainerinnen und Trainer fehlen.

Mit welchen Vorurteilen hast du zu kämpfen, sowohl aufgrund deiner Behinderung als auch aufgrund deines Geschlechts? Wie reagierst du drauf?

Aufgrund meines Geschlechts habe ich mit keinen Vorurteilen zu kämpfen. Zuweilen ist man durch Wettkämpfe auch in Ländern, in denen Frauen weniger Rechte habe, aber das toleriere ich für mich. Hier würde das derjenige sicherlich kein zweites Mal machen. Den „falte ich“.

Oftmals begegnen einem die Leute so als wäre mein Sport sowas wie „Beschäftigungstherapie in einer Kuschelecke“. Das kann ich gar nicht ab. Mir ist aber klar, dass sie es irgendwie nett meinen und drum lasse ich es stehen. Wenn so ein ähnlicher Kommentar allerdings zum fünften Mal an dem Tag käme, dann hätte die Person leider Pech und es wächst ein flotter Spruch rüber. Bin da auch nur ein Mensch. Kindern erkläre ich aber immer alles sehr gerne.

Inwieweit schreibst du dem Sport eine inklusive Funktion zu?

Ich mag das Wort Inklusion nicht arg, weil es meist so viel Druck erzeugt. Ich bevorzuge: Teilhabe. Inklusion ist immer dieses „Ganz oder gar nicht“, bei Teilhabe hätte man schon mal einen Wettkampf, wo man es quasi versucht, dass ein paar behinderte Athletinnen und Athleten mit  starten können. Bei uns in Bayern, wo die Uhren in diesem Bereich echt noch anders ticken, ist das wirklich wichtig. In den letzten Jahren kamen wir hier schon echt weit. Aber zurück zur Frage. Im Sport trainiert auch der behinderte Athlet neben dem nicht-behinderten und es ist total egal. Man hat ein gemeinsames Thema und letztlich gemeinsames Ziel.

Ich war zusammen auf einem (nennen wir es ruhig so) integrativen Trainingslager in Badminton und Leichtathletik und in einem sogar als Trainerin. Es hat immer gut funktioniert. Vor allem aber haben die Kids die Behinderung irgendwann nicht mehr gesehen, das war das Genialste.  Sie fragten: „Wann zeigst du uns denn jetzt den Anlauf?“ (Da war ich aber noch im Rolli).

Was würdest du dir für den Parasport in Zukunft wünschen?

  1. Mehr Öffentlichkeitswirksamkeit
  2. Mehr Sponsoren für die Athletinnen und Athleten (trotz Corona…es kann WinWin sein!)
  3. Mehr Trainerinnen und Trainer für alle Athletinnen und Athleten
  4. Nachwuchs (das ist schwer zu beeinflussen – aber es wäre schön!)

Was sind deine zukünftigen sportlichen Ziele?

Natürlich die Paralympics in Tokio 2021. Dann noch WM2022 in Kobe und die Paralympics in Paris 2024. Danach? Wir werden sehen!!

Ich möchte aber auch in Bayern mithelfen, dass die Paraleichtathletik in Schwung kommt.