Name: Hanna Große
Beruf: Studentin (Geographie)
Sportbezug: Quidditch
Homepage: rheinos-bonn.de/
Facebook: facebook.com/RheinosBonn
Hannas Story
Zunächst möchte ich gestehen, was wohl die meisten hier erwarten: Ja, okay, ich war ein großer Harry Potter-Fan. Eigentlich schon immer. Schon im Sportunterricht in der Mittelstufe habe ich mit einer Freundin in einem Projekt eine selbstentwickelte Variante vom sogenannten „Muggel-Quidditch“ gespielt. Später bekam ich mit, dass an den Hochschulen in den USA tatsächlich schon länger Quidditch gespielt wird.
Ich hatte aber meine Basketballmannschaft und beschäftigte mich nicht weiter mit dem Thema. Als ich dann auf einer Party im ersten Semester meines Studiums hörte, dass es sogar in Bonn ein Quidditchteam gibt, war ich aber dann doch Feuer und Flamme. Das klingt total bescheuert, das muss ich ausprobieren! Anfang Februar, bei Eiseskälte und Sauwetter schnappte ich mir eine Freundin und begab mich zu meinem ersten Quidditchtraining. Damals waren die Rheinos Bonn nur eine kleine Gruppe Menschen, die im Schlamm trainierte – nicht einmal genug für ein ordentliches Spiel.
Ziemlich schnell stellte ich allerdings fest: diese Rheinos sind nicht bescheuert, sie sind Sportler*innen. Die Jungs und Mädels, die dort auf ihren Besen zwischen den Ringen hin und her rannten und sich die vier Bälle nur so um die Ohren warfen, taten dies mit solch einer Selbstverständlichkeit, dass ich sofort erkannte: sobald man sich selbst nicht zu ernst nimmt, ist es recht leicht, Quidditch als echten Sport ernst zu nehmen. Wenn man das schafft und dabei ein wenig vergisst, dass das ganze Konzept auf einem Fantasyroman aufbaut, hat man die Ehre, den tollsten Teamsport der Welt zu entdecken.
Was mir am Quidditch am meisten gefällt, ist die Tatsache, dass es der einzige Vollkontaktsport ist, den Menschen jeden Geschlechts gemeinsam ausüben. Sicherlich merkt man zwischen den verschiedenen Geschlechtern nicht selten Unterschiede bei der Schnelligkeit oder Kraft. Die meisten Männer, die neu dazukommen, bringen auch einfach mehr Vorerfahrung in Ballsportarten mit als viele Frauen. Trotzdem trainieren und spielen wir zusammen und jede*r kann von jedem*jeder etwas lernen.
Schließlich geht es wie in so vielen Sportarten nicht nur um körperliche Voraussetzungen. Es geht auch viel um taktisches Geschick und vor allem um Technik. So müssen zum Beispiel die Meisten das Tacklen erst neu lernen, sodass eine Frau, die schon länger im Team ist, gerne auch mal den Neuen umtacklet, um ihn zu lehren, dass er hier nicht zimperlich sein darf. Die Stimmung im Team ist super locker und wir haben im Training und bei Turnieren, aber auch bei gemeinsamen Abenden, eine Menge Spaß.
Nach wenigen Monaten im Quidditch war ich in einer solchen Blase, dass ich manchmal ganz verwundert war, dass andere Menschen sich NICHT vorstellen konnten, mit einem Besen zwischen den Beinen herumzulaufen oder mit einer gelb gekleideten Person zu ringen, die am Hosenbund den begehrten Schnatz (einen Tennisball in einer Socke) trägt. Besonders spannend fand ich, dass die Leute mehr Probleme hatten, sich vorzustellen, wie ein Mann eine Frau tacklet als andersherum. Frauen sind ja soo zerbrechlich! Ich selbst habe aber genau hier meine große Leidenschaft entdeckt.
Ich war schon immer stärker als viele andere Frauen in meinem Umkreis. Früher fühlte ich mich dadurch teilweise zu „unweiblich“. Durch Quidditch habe ich verstanden, dass es ganz und gar nicht uncool ist, eine starke Frau zu sein und seine Liegestütze „richtig“ und nicht auf den Knien zu machen. Heute bin ich fitter denn je. Außerdem achte ich mehr auf meine Ernährung und zum Beispiel auf meinen Alkoholkonsum. Schließlich will ich ja auch bei der nächsten Meisterschaft alles geben. Auch mentale Stärke habe ich durch diesen Sport gefunden.
Mittlerweile spiele ich meine dritte Saison in der Nationalmannschaft. Nach einem Auslandsjahr in Norwegen, in dem ich durch meine Erfahrung schnell in den Trainerstab meines dortigen Quidditchteams aufgestiegen war, wurde ich auch hier in Bonn zur Trainerin gewählt. So ist über die Jahre definitiv auch mein Selbstbewusstsein gewachsen. Ich habe gelernt, dass auch ich als Frau den Männern sagen kann, wo es auf dem Spielfeld lang geht. Ach ja, ein weitere positiver „Nebeneffekt“: Schon nach wenigen Monaten hatte ich mich nicht nur in diesen besonderen Sport, sondern auch in einen meiner Mitspieler verliebt. Man mag es kaum glauben, aber bei einer solchen Ansammlung von Menschen mit ähnlicher Gesinnung kommt so etwas dann doch häufiger vor.
Dieses Jahr werde ich fertig mit meinem Studium. Aus meinem Plan, jedes Semester eine neue Sportart beim Hochschulsport auszuprobieren, wurde leider nichts. Außerdem habe ich meine Begeisterung für das Harry Potter-Universum und die Fantasywelt ein wenig verloren. Aber das macht nichts. Schließlich ist die Wirklichkeit auf dem Quidditchfeld viel aufregender.
Mein Tipp an andere:
Wenn ihr Lust bekommen habt, mal Quidditch auszuprobieren: Es gibt keinen Grund zu zögern! Wir haben bisher noch für jede*n einen Platz gefunden. Dabei spielt es keine Rolle, wie fit Ihr seid oder wie viel Erfahrung mit Bällen ihr habt. Wir freuen uns immer über neue Mitspielerinnen und Mitspieler. Ihr müsst nur Lust haben, was neues zu lernen und bereit sind, an euch zu arbeiten.
Und allgemein: Mädels, macht, worauf ihr Lust habt! Aber vor allem: Macht Sport! Egal, ob allein, unter Mädels oder in einer gemischten Gruppe. Sport steigert das Selbstbewusstsein und das Wohlbefinden. Außerdem wird euch oft das Gefühl geben, mit etwas Arbeit und dem richtigen Willen alles erreichen zu können.
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