Name: Irmgard Bensusan
Beruf: Wirtschaftsprüferin
Sportbezug: Para Leichtathletik
Instagram: tanteirmie
Interview mit Irmgard
Wie ist dein sportlicher Werdegang und woher kommt deine Liebe zum Sport?
Ich bin mir selbst nicht sicher, woher meine Liebe zum Laufen kommt. Laufen gibt mir ein Gefühl der Freiheit. Seit ich drei Jahren alt bin, laufe ich schon und da ich als Kind schon sehr schnell war, habe ich an Wettbewerben teilgenommen. Am Anfang wollte ich nur meine Bruder schlagen – wie das so ist bei Geschwistern, man ärgert sich gegenseitig. Als ich zehn Jahren alt war, hat mich meine Lehrerin gefragt, was ich eines Tag werden möchte und ich habe geantwortet: „Ich will bei Olympia starten.“ Obwohl ich noch sehr jung war, war mir klar: Ich will mal bei großen Wettkämpfen starten und mich mit den Besten der Welt messen. Und ich bin froh, dass ich Sportlerin geworden bin, denn ich habe sehr viel durch den Sport gelernt und wichtige Charaktereigenschaften entwickelt, weil er einem so viele Dinge beibringt – kämpfen, diszipliniert sein, soziale Skills, das „Hinfallen und wieder Aufstehen“ und noch vieles mehr.
Wie kamst du zum Para-Sport, vor allem auf Leistungssportlerin Niveau?
Ich bin, wie schon erwähnt, viele Jahre als Nicht-Behinderte für Südafrika gestartet. Ich habe mich bei unseren Nationalen Meisterschaften verletzt, als ich an einer Hürde hängen blieb, und seitdem habe ich einen Drop-Foot. Da meine Behinderung in Südafrika nicht anerkannt wurde, ich aber weiterhin laufen wollte und einen deutschen Pass besitze, weil meine Mutter aus Deutschland kommt, bin ich für Deutschland in der Para-Leichtathletik gestartet und dann auch nach Deutschland umgezogen. Ich liebe Leichtathletik und ich habe so viel Leidenschaft für meinen Sport, ich konnte für mich einfach kein Leben ohne Leichtathletik sehen. Nach meinem Unfall habe ich für mich selbst gesagt, es ist egal, ob ich 10 Sekunde langsamer bin, ob ich jedes Mal die Letzte bin. Ich liebe es zu laufen und ich WILL laufen.
Was macht dir am Laufen besonders Spaß? Was motiviert dich?
Laufen gibt mir ein Gefühl von Freiheit und ich bekomme ein ganz spezielles, warmes Gefühl in meinem Herzen – und zwar jedes Mal, wenn ich laufe. Ich denke, das ist vergleichbar mit dem Gefühl, das man empfindet, wenn man sich in jemanden frisch verknallt. Dieses Gefühl begleitet mich sowohl über die 100 als auch die 200 Meter, sogar in jeder Trainingseinheit.
Wie sieht deine typische Trainingswoche aus?
Ich trainiere zweimal am Tag, nur mittwochs und samstags habe ich eine Trainingseinheit. Und am Sonntag habe ich frei.
Haben deine Familie und Freunde dich immer unterstützt?
Ohne die Unterstützung meiner Familie und Freunde wäre ich nicht dort, wo ich heute bin. Die waren alle von Anfang an für mich da und vor allem auch dann, wenn es ab und zu nicht so gut lief. Ich habe ihnen so viel zu verdanken.
Wie finanzierst du deinen Sport?
Ich erhalte aktuell Unterstützung durch meinen Verein (TSV Bayer 04 Leverkusen), der Bundeswehr sowie die Sporthilfe. Meine Orthese bekomme ich von Ottobock.
Wo sind für dich die Gemeinsamkeiten / Unterschiede im Sport von Personen mit und ohne Behinderung?
Ich finde, im Para-Sport gibt es einen viel größeren Teamgeist und mehr Fair-Play unter den Athleten, weil sich alle untereinander unterstützen und sich freuen, wenn jemand anderes eine gute Leistung bringt. Deshalb freue ich mich auch immer, wenn ich die Mädels vom Schwimmen oder Sitzvolleyball oder so sehe, die das Jahr über in anderen Städten in Deutschland trainieren.
Was waren deine größte Erfolge?
Bei den Paralympics in Rio de Janeiro 2016 habe ich drei Silbermedaillen und bei den Weltmeisterschaften 2019 in Doha habe ich Doppel-Gold geholt.
Was deine größten Rückschläge?
Ganz klar: Mein Unfall, durch den ich meine Behinderung erlitt, und der Umstand, dass in Südafrika meine Behinderung nicht klassifiziert und nicht anerkannt wurde.
Wie vereinbarst du Sport und Beruf?
Ich habe da ein Motto: „Je weniger Zeit man hat, desto mehr kriegt man geschafft.“ Daran orientiere ich mich. Ich bin ein sehr aktiver Mensch und kann kaum still sitzen. Ich muss immer in Bewegung bleiben und beschäftigt sein, daher fällt es mir auch nicht wirklich schwer, Sport und Beruf unter einen Hut zu kriegen. Und wenn man nur 5 Minuten hat, nutzt man die 5 Minuten viel effektiver.
Was bedeutet für dich Inklusion?
Inklusion ist für mich nur ein Wort, das Politiker und Medien benutzen. Ich bin der Meinung, dass wir leider noch immer weit davon entfernt sind, um wirklich von Inklusion sprechen zu können.
Inwieweit schreibst du dann dem Sport eine inklusive Funktion zu?
Die Tatsache, dass wir noch weit von Inklusion entfernt sind, liegt weniger am Sport als viel mehr an den Medien und der Mentalität unserer Gesellschaft. Ich glaube nicht, dass die Leuten wissen, dass wir genau so hart trainieren müssen wie die Nicht-Behinderten.
Wie hilft dir der Sport mit deiner Behinderung umzugehen?
Meine Behinderung gehört zu mir, ich kann mich nicht verändern und dafür benötige ich keine Hilfe durch den Sport. Ich weiß, wer ich bin. Der Sport gibt mir einfach eine zweite Chance, um trotz meines Unfalles noch Leistungssport treiben zu können. Man muss sich selbst akzeptieren. Wenn du dich selbst nicht zuerst akzeptierst, kann es auch kein anderer.
Mit welchen Vorurteilen hast du zu kämpfen?
Meiner Gegnerinnen sagen immer und immer wieder, dass ich keine Behinderung und sogar einen Vorteil gegenüber den anderen Athletinnen hätte, obwohl das überhaupt nicht so ist – wenn man das jahrelang hört, nervt das, weil es einfach nicht wahr ist! Aber ich versuche, diese Vorurteile nicht mehr wahrzunehmen und mich auf mich selbst zu konzentrieren. Entweder akzeptieren die Leute mich als die, die ich bin, oder eben nicht. Du kannst nicht jeden zufriedenstellen und vor allem kann man die Menschen nicht ändern. Alle, die Ahnung haben, wissen, dass ich durch meine Behinderung keinerlei Vorteile gegenüber der anderen Läuferinnen habe.
Was würdest du dir für deinen Sport wünschen?
Ich wünsche mir, dass wir ernster genommen werden, dass unsere Leistungen mehr wertgeschätzt werden und dass die Medien mehr über uns berichten. Wir trainieren nämlich genauso hart wie die Nicht-Behinderten und wir bluten ebenfalls für unseren Sport.
Welche großen Ziele hast du noch?
Das war und bleibt mein Geheimnis.
Mein Tipp an andere:
Wenn andere dir sagen, dass du etwas nicht schaffen kannst und es niemals schaffen wirst, aber du fest daran glaubst, dann tue es einfach! Lasse dir von niemandem etwas einreden, denn keiner kennt deine innere Kraft – nur du selbst.
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