Name: Jennifer Wendland

Beruf: Geschäftskundenvertrieb bei E.ON

Sportbezug: Freitaucherin

Homepage: https://www.jenniferwendland.de

Social Media: @jennifer_freediver

 

 

Jennifer vor dem Wasser mit Medaillen und Pokalen

Interview mit Jennifer

Wie ist dein sportlicher Werdegang?

Bereits als Kind und Jugendliche bin ich sehr viel geschwommen und habe das Wasser geliebt. Das habe ich von meinen Eltern, die selbst gerne geschwommen sind und mich immer mitgenommen haben. Während des Studiums habe ich dann eher weniger Sport gemacht und erst gegen Ende des Studiums wieder vermehrt damit angefangen, z.B. mit Surfen und Unterwasserrugby, welches ich fünf Jahre lang gespielt habe. Außerdem habe ich einen Anfängerkurs im Freitauchen gemacht. Mittlerweile bin ich seit rund 10 Jahren Freitaucherin und nehme seit ungefähr vier Jahren offiziell an Wettkämpfen teil. Seitdem konnte ich drei WM-Medaillen gewinnen und über 20 deutsche Rekorde aufstellen. Mein tiefster Rekord liegt bei einer Tiefe von 117 Meter mit einem Atemzug. 

 

Das Menschen gerne Schwimmen gehen, ist nichts Ungewöhnliches, jedoch sind die meisten froh, wenn ihr Kopf möglichst wenig unter Wasser kommt. Was fasziniert dich so an dem Sport?

Das schönste am Freitauchen ist, dass man Unterwasser allein und ganz für sich selbst ist. Es herrscht dort eine unglaubliche Stille, so dass man automatisch „gezwungen“ ist, sich mit sich selbst zu beschäftigen und auch etwas über sich selbst zu lernen. Das ist eine sehr schöne Erfahrung.

 

Wie kann man sich ein Training von dir vorstellen?

Auch wenn es vielleicht witzig klingt: Ein Teil des Trainings besteht tatsächlich darin, auf der Couch zu sitzen und die Luft anzuhalten. Wir haben dafür sogenannte Atemtabellen, wo steht, in welchem Rhythmus man die Luft anhalten soll, je nachdem, welches Trainingsziel gerade im Fokus steht. Außerdem steht viel Ausdauertraining auf dem Plan wie Schwimmen und Radfahren. Dabei nutze ich auch meinen Fahrrad-Hometrainer, weil ich dort auch auf dem Rad die Luft anhalten kann. Im Straßenverkehr wäre das viel zu gefährlich. Dazu kommt noch Krafttraining, Dehnen und mentales Training. Insgesamt trainiere ich etwa drei bis vier Stunden pro Tag.

 

Und wie sieht es mit dem Freitauchen selbst aus?  

Das Freitauchen selbst kann ich nur unregelmäßig üben, da ich dafür immer Reisen muss. Denn in Deutschland sind nur wenige Seen tief genug und zum Tauchen freigegeben. Am besten bietet für mich der Mittelmeerraum oder Ägypten an. Ich bin die einzige Person in meinem Verein, die Freitauchen betreibt. Mein Trainer sitzt in Tschechien und ich sehe ihn nur wenige Tage im Jahr persönlich. Die Rahmenbedingungen sind also nicht ganz so einfach.

 

Wirst du denn bei der Ausübung deines Sports finanziell unterstützt?

Leider nein, ich muss alles aus eigener Tasche bezahlen. Freitauchen ist in Deutschland eine absolute Randsportart, daher gibt es wenig Aufmerksamkeit und noch weniger Unterstützung. Allerdings ist der Sport stark im Kommen und es werden immer mehr Kurse angeboten. Das Interesse steigt zusehends und es kommen mehr und mehr Freitaucher in die Vereine.

 

Was glaubst du, vorher kommt die wachsende Begeisterung?

Ich glaube, dass liegt am wachsenden internationalen Interesse und der damit zunehmenden medialen Begleitung. Die Bilder sind spektakulär. Bei Weltmeisterschaften übertragen zum Beispiel Unterwasserdrohnen die Bilder live an die Oberfläche und ins Internet. Dadurch konnte mehr Aufmerksamkeit für den Sport generiert werden. Endlich kann man sehen, was wir Unterwasser tun. Zudem verfestigen sich nach und nach die Strukturen in Vereinen und Verbänden. Es war auch im Gespräch, dass Freitauchen für 2024 olympisch wird, jedoch hat Breakdancen den Vorzug bekommen.

 

In welchen Ländern ist Freitauchen besonders beliebt?  

Vor allem in den Ländern, in dem auch die entsprechende Infrastruktur zum Tauchen vorherrscht, z.B. in der Karibik, im Mittelmeerraum, aber auch in Südostasien. Hier sind die Philippinen, Indonesien oder Südkorea zu nennen. Die Japaner sind sehr stark im Freitauchen.

 

Ist Freitauchen für jedes Alter geeignet?

Das Schöne am Freitauchen ist, dass es relativ altersunabhängig auszuüben ist. Leider haben wir jedoch sehr wenige junge Athleten. Dies hat aber auch mit den Regeln zu tun, da der Sport durch das Luftanhalten in vielen Ländern erst ab 16 oder 18 Jahren auf Wettkämpfen freigeben ist. Der Altersdurchschnitt ist insgesamt recht hoch und die Topathleten sind meistens zwischen 30 und 40 Jahre alt. Erfahrung ist aber auch unerlässlich für unseren Sport. Ich sage immer gerne, dass Freitauchen „Hochleistungsentspannen“ ist. Man muss in der Lage sein in einer absoluten Stresssituation alles Unnötige um sich herum ausblenden und ruhig zu bleiben. Während die Ausschüttung von Adrenalin in anderen Sportarten wie im Fußball förderlich sein kann, ist sie bei uns absolut hinderlich, weil wir dadurch zu viel Sauerstoff verbrauchen.

 

Wie gewinnt ihr trotzdem euren „Nachwuchs“?

Der kommt vor allem aus anderen Sportarten, wenn sie dort ihre Karriere beenden, z.B. vom Schwimmen, Flossenschwimmen oder Triathlon. Viele entdecken diesen Sport während des Studiums oder auf Reisen. Natürlich kommen auch Gerätetaucher zu uns, die das Tauchen ohne Geräte ausprobieren.

Jennifer beim Freitauchen

Wie sind die Reaktionen, wenn du Menschen erzählst, dass du Freitaucherin bist?

Die meisten Menschen durchlaufen einen Prozess. Zuerst reagieren viele mit Unglauben und danach kommt Neugier. Wenn ich dann mehr davon erzähle, finden manche es wirklich beeindruckend und cool und andere sagen: Wieso um alles in der Welt macht man sowas freiwillig? Ist auf jeden Fall ein schöner Türöffner für Gespräche.

 

Gibt es da ein Best-of an Sätzen, die du immer wieder zu hören bekommst?

Der Klassiker ist natürlich: Ist das nicht gefährlich?

 

Und deine Antwort?

Es ist so gefährlich, wie du es machst. Wenn man sich an alle Sicherheitsregeln hält, lässt sich das Risiko gut kontrollieren.

 

Würdest du sagen, viele Freitaucher*innen sind Draufgänger*innen?

Eine spannende Frage. Wir sind ein Sport, der viele verschiedene Charaktere anspricht. Aber diejenigen, die sich auch langfristig durchsetzen und Erfolg haben, sind von ihrer Art eher ruhiger, trainieren systematischer und können sich besser entspannen. Die meisten Adrenalinjunkies sind recht schnell wieder weg, weil man beim Freitauchen mit diesem Ansatz nicht sehr weit kommt.

 

Merkt man im Freitauchen Unterschiede zwischen den Geschlechtern?  

Männer haben physiologisch z.B. durch die größeren Lungen und die größere Muskelmasse natürlich Vorteile. Aber Frauen verstehen meist schneller, wie entscheidend die Entspannung in unserem Sport ist.

Was mir immer wieder auffällt ist, dass Männer bei Wettkämpfen selbstbewusstere Announcements machen. Zur Erklärung: Wir müssen am Tag vor dem Wettkampf ansagen, wie tief wir tauchen möchten. Wenn wir die Tiefe nicht schaffen, gibt es Strafpunkte. Tiefer als unser Announcement können wir aus Sicherheitsgründen aber auch nicht tauchen. Frauen legen im Durchschnitt mehr Wert kontrollierte Tauchgänge. Bei Männern kann man häufiger unsaubere Tauchgänge und Blackouts beobachten. Das gibt es bei Frauen natürlich auch, aber seltener.

 

Du bist auch als Speakerin tätig. Wie kam es dazu?

Ich wurde in meinem Unternehmen gefragt, ob ich einen Vortrag zum Freitauchen halten könnte, mit dem Schwerpunkt auf der Arbeit mit Emotionen. Bei uns im Sport sind Emotionen ein zentrales Thema, z.B. müssen wir Angstreaktionen und in der Tiefe besonders Panik vermeiden. Der Vortrag kam sehr gut an und ich habe erkannt, dass meine Erfahrungen und mein Wissen für viele Menschen interessant sind. Seitdem halte ich zu unterschiedlichen Themen Vorträge, aber am liebsten nach wie vor zu Emotionen.

 

Was wünscht du dir für deinen Sport?

Ich würde mir allgemein mehr Akzeptanz für den Sport wünschen und wir als Leistungssport anerkannt werden. Außerdem gibt immer wieder Freitaucher, die versuchen Aufmerksamkeit zu generieren, in dem sie den Sport überdramatisieren und von Nahtoderfahrungen erzählen. Den Sport kann man jedoch gar nicht ausüben, wenn man ständig Angst um sein Leben hätte. Die Angstreaktionen des Körpers, angespannte Muskeln und schneller Herzschlag, machen gute Tauchgänge unmöglich. Da würde ich mir eine ausgewogenere Berichterstattung wünschen, wo es nicht nur um Effekthascherei geht, sondern um die sportliche Leistung. Ebenfalls wichtig sind wachsende Strukturen in den Vereinen und Verbänden und mehr Professionalität. Aber hier ist bereits ein sehr engagiertes Team dabei, den Sport in Deutschland voranzutreiben.

 

Und deine persönlichen sportliche Ziele?

Nachdem ich schon unzählige deutsche Rekorde aufgestellt habe, wäre das nächste große Ziel ein Weltrekord. Ich bin dafür auf jeden Fall auf dem richtigen Weg. Und nach drei WM-Medaillen darf es gerne auch mal der Titel werden.

 

Wir drücken dir die Daumen, dass das auch klappt! Am Ende haben wir immer die Kategorie: Mein Tipp an andere. Was würdest du angehenden Taucher*innen raten?

Tauche nie allein!

 

Ihr wollt spannende Einblicke in die Welt des Freitauchens? Dann empfehlen wir euch diesen Youtube-Account und Videos: