Name: Maria Tietze
Beruf: Konferenzdolmetscherin & Übersetzerin
Sportbezug: Nationalkader Para Leichtathletik, früher Vereinsfußball
Insta: @maria.tietze
Homepage Verein: https://www.tsvbayer04.de/sportangebote/parasport/parasport-news/
Facebook: www.facebook.com/MariaTietzeParaathlete
Marias Story
Ich kann gehen. Was für so viele Menschen banal klingt und ist, halte ich für eines meiner größten Geschenke. Das war gewiss nicht immer so. Ein Motorradunfall im Sommer 2015, die damit verbundene Komplikationen und 21 Operationen binnen zwei Jahren und eine On-Off-Beziehung mit dem Krankenhaus, führten letztlich zu der weitreichendsten Entscheidung meines Lebens. Mit 26 Jahren entschied ich mich für eine Unterschenkelamputation, um wieder ohne Hilfsmittel und aus eigener Kraft gehen zu können, um entgegen der Erwartung der meisten Ärzte wieder Sport treiben zu können und eines Tages vielleicht wieder auf dem Fußballplatz zu stehen.
Im Leichtathletikverein wollte ich den Umgang mit der neuen Prothese beim Laufen lernen, um dies auf dem Rasen umzusetzen, und blieb im neuen Sport hängen. Europameisterschaft 2018, Nationalmannschaft, Deutscher Rekord 2019 – sind nominell meine bisher größten sportlichen Erfolge. Mein ganz persönlicher Erfolg, der all das schlägt, aber war es nach dem Unfall wieder mit der eigenen Fußballmannschaft auf dem Feld zu stehen und um Meisterschaftspunkte zu spielen. Und das ganz ohne Fragen anderer. Den Gegnern fiel die Unterschenkelprothese nie auf. Maria Tietze war „einfach“ wieder da wo sie hingehörte und wo sie sein wollte. Nachdem das realisiert war, konnte ich mich voll und ganz dem neuen Sport zuwenden und bereite mich nun auf die Paralympischen Spiele 2021 in Tokio vor.
Aber zurück auf Anfang. Seit ich denken kann, habe ich meine Zeit unter anderem mit den Jungs auf der Wiese um die Ecke verbracht und gegen den Ball getreten. Auch wenn wir nur zu dritt waren. Das Spiel hieß Fußball. Als ich in die Grundschule kam waren da plötzlich noch viel mehr Kinder – zugegeben, vor allem Jungs, die Fußball spielen wollten. Die Pausenbeschäftigung war also auch klar. Jedenfalls immer so lange, bis die Lehrer wieder unseren Ball konfiszierten, weil Fußballspielen bei uns auf dem Hof verboten war – zu viele Fenster in der Nähe. Widerwillig musste ich also auf Seilchenspringen, Fangen und Stelzenlaufen umschwenken. Sobald also einer aus der Klasse einen neuen Ball mitbrachte oder wir den alten endlich zurück bekamen, fingen wir auch wieder an zu kicken. Es war also irgendwie klar, dass meine Mutter für mich im Sportverein nachfragte, ob sie einen Platz in der Fußballmannschaft für mich hätten. Die Antwort: „Aber Maria ist doch ein Mädchen, wir haben nur Jungsmannschaften.“ Und nein, ich durfte wirklich nicht mitspielen. Heute sieht die Welt da anders aus. Aber in den 90ern, war ein Mädchen im Fußball nicht erwünscht.
Weil ich aber immer diesen Bewegungsdrang hatte, musste eben ein anderer Vereinssport her, der mich mehrmals die Woche auslasten würde. In unserem Wohnort kam da nur Leichtathletik in Frage. Hier war es egal, ob Junge oder Mädchen, es trainierten eh alle Kinder zusammen. Ich durfte also bleiben und rennen. So richtig gut erinnere ich mich nicht mehr an die Wettkämpfe und das Training – ich wollte ja eigentlich viel lieber Fußball spielen. In der vierten Klasse war ich dann Schulschnellste – sogar die Jungs durften sich nur meinen Rücken anschauen. Dieser Gedanke gefällt mir bis heute. 😉
Mit dem Schulwechsel zog meine Familie um. In der neuen Heimat gab es keinen Leichtathletikverein, so kehrte ich diesem Individualsport wieder den Rücken zu. Was es aber gab, waren Fußballvereine und sogar einen in der näheren Umgebung, der eine Mädchenmannschaft hatte. So wurde ich mit 10 Jahren Spielerin in einer U17-Mannschaft. Auf dem Ascheplatz mit den Mädels um mich fühlte ich mich schnell wohl. Zwar bekamen wir in meinen ersten Jahren gehörig auf den Deckel, weil wir im Schnitt fünf Jahre jünger als die Gegnerinnen waren. Aber wir haben uns nicht unterkriegen lassen, unsere Zeit würde kommen. Und sie kam. Wir holten drei Jahre in Folge die Meisterschaft, zweimal davon sogar das Double und im letzten Jahr blieben wir ungeschlagen mit einer Tordifferenz von über 100 Toren zu 1. Diese vermaledeite Gegentor fingen wir uns natürlich im letzten Spiel. Für mich als Verteidigerin das Schlimmste, was in dieser Saison passieren konnte.
Mit 17 wechselte ich dann zu den Damen vom SV Eintracht Hohkeppel in die Landesliga. Ich hatte sofort einen Stammplatz sicher. Obwohl ich noch so jung war, hatte unser Trainer Jörg vollstes Vertrauen in mich. Schon während der Schulzeit war ich länger im Ausland und setzte das während meines Studiums fort. Ob Neuseeland, England oder La Réunion überall spielte ich im Ligabetrieb Fußball. In jedem Land, Deutschland inbegriffen, mit tragender Rolle bis hin zum Kapitän. Ich habe es geliebt ,gemeinsam mit meinen Mädels über den Kunstrasen zu flitzen, zu trainieren und zu spielen. Es war mir (fast) egal, ob wir gewannen oder verloren, hauptsache wir konnten Fußball spielen. Natürlich war mir auch immer der soziale Umgang in und durch die Mannschaft wichtig. Wir verbrachten auch neben dem Platz viel Zeit gemeinsam und ich legte sogar meine Urlaube nach dem Spielplan, worunter vor allem meine Mutter gelitten, es aber dennoch mitgemacht hat. Fußball war omnipräsent in meinem Leben, meine große Liebe.
Als plötzlich dieser Tag im Sommer 2015 kam, an dem ich mit meinem Motorrad unterwegs war und nicht wieder nach Hause kam. Beim Abbiegen hat mich ein Auto von links erwischt und meinen linken Fuß zwischen Wagen und Motorrad gequetscht. Ich küsste noch die Windschutzscheibe und landete 50m später wohl auf einer Wiese. Als ich wieder aufwachte, lag ich in einem weißen Bett, war mit Geräten verkabelt, ich hatte Schmerzen, am Fußende standen meine Eltern und blickten besorgt. Es war wie eine Szene im Film. Nur steckte ich mittendrin. Was darauf folgte waren Wochen und Wochen im Krankenhaus mit immer mehr OPs. Denn zu Beginn gingen sie ungefähr alle schief. Im Krankenhaus, in dem ich unmittelbar nach dem Unfall gelandet war, war man so sehr mit meinen Verletzungen überfordert, dass sie mich nach Frankfurt verlegten. „Wenn Ihnen einer helfen kann, dann der Professor in Frankfurt“, so die Worte des Arztes. So schlimm war es also? Nur ein Arzt in Deutschland, der mich wieder hinbekommt?
Dabei hatte es mich gar nicht so arg erwischt, dachte ich zumindest lange, weil ich in den ersten paar Wochen nur das Nötigste zu meiner Situation erfuhr. Mit der Zeit begriff ich, dass alles in meinem Fuß kaputt war. Wirklich alles. Kein Knochen war mehr da wo er hin sollte, manche irreparabel, andere nur getrümmert. Mein Sprunggelenk und alles drumherum waren ein Trümmerfeld. Wobei das nicht das weitreichendste Problem war. Das alles, war ein großer offener Bruch mit einem Loch im Gewebe, das niemals von allein zugeheilt wäre. Also musste mir ein Muskel aus dem rechten Bein entnommen und auf dieses Loch transplantiert werden. Diese OP ging schief. So richtig. Entgegen dem Plan wachte ich auf der Intensivstation wieder auf, nach, wie man mir dann erzählte, drei OPs statt nur einer. Ein Gefäßverschluss hatte zu zwei Not-OPs und dann zu insgesamt beinahe 24 Stunden OP-Zeit geführt. Und das Loch? Wieder offen. Diese Thrombose stellte die Ärzte vor Rätsel. Ich wurde wieder und wieder auf alles durchgecheckt, ein weiterer Spezialist kam zu mir, stellte mich medizinisch auf den Kopf.
Erst danach versuchte man sich wieder an einer Transplantation. Dieses mal mit dem größten Rückenmuskel. Und er wuchs an. Die Haut aber, die in den nächsten OPs auf das nun gefüllte Loch transplantiert werden sollte, starb immer wieder ab. Alle paar Tage versuchten wir es erneut, aber es brauchte viele Versuche. Immer wieder musste ich mir nach der OP anhören, dass sie nicht erfolgreich war. Alle paar Tage so ein neuer Rückschlag. Denn psychisch ging es mir gut, ich konnte mich nur einfach nicht bewegen, an zu vielen Stellen meines Körpers gab es OP-Narben. Nach zwei Monaten durfte ich vorerst das Krankenhaus verlassen. Zwei Jahre lang sollte ich immer wieder zurück kommen.
Fünf Monate nach dem Unfall saß mir mein Fußchirurg gegenüber und eröffnete mir, dass meine Knochen fast gar nicht geheilt wären. „Der Körper heilt von außen nach innen, da sind die Knochen das letzte, das er repariert.“ Wir hätten zwei Möglichkeiten jetzt weiter zu machen. Entweder eine Unterschenkelamputation (das sagte er sehr, sehr schnell) oder eine Versteifung des Sprunggelenks. Letztere wurde geplant, die erste OP dazu angesetzt. Muss ich noch sagen, dass die Heilung zu schlecht war und die OP nach hinten verschoben wurde und auch dieser Termin noch zu früh war?
Das erste Mal in meinem Leben fühlte ich, dass mein Körper mir nicht geben konnte, was ich von ihm forderte. Das erste Mal in meinem Leben brauchte mein Körper mich. Vorher hatte er mir alles gegeben, was ich ihm abverlangt habe. Zwei Fußballturniere an zwei Tagen, Mehrtageswanderungen mit Gepäck, Kanuwandern und mit dem Fahrrad von Köln nach Berlin – alles kein Problem. Aber im Winter 2015/2016 ging es einzig und allein darum, irgendwie zu heilen. Mein Kopf hatte ja glücklicherweise nichts abbekommen, so begann ich mir selbigen zu zerbrechen.
Ich suchte nach Antworten. Was ist, wenn diese Versteifung nicht die richtige Lösung für mich ist? Wie soll ich denn mit einem steifen Fuß noch Sport machen können? „sportlich aktives Leben“ hatte der Arzt gesagt. Treppensteigen und Hallenhalma reichen mir aber nicht. Ich brauche Bewegung, sonst bin ich nicht ausgelastet. Das Internet, meine Ärzte (die allerbesten übrigens, allen voran meine Ärztin Dr. Moll), fremde Ärzte, Physiotherapeuten, Orthopädietechniker: sie alle hielten meinen tausenden Fragen stand und diese Zahl ist nicht übertrieben. Knapp vier Monate wälzte ich dieses Problem und war für mein Umfeld bestimmt nicht leicht zu ertragen, aber dann hatte ich meine Antwort.
Die Amputation sollte die Lösung sein. Spoileralarm: diese Entscheidung bereue ich bis heute nicht eine Sekunde. Ich entschied mich gegen meinen Fuß und für die Bewegung. Ohne den wahnsinnigen Rückhalt von meiner Familie und meinen Freunden, wäre ich niemals im Stande gewesen, so eine Entscheidung zu treffen. Wenn ich reden wollte, waren sie immer da. Genauso, wenn ich Ablenkung brauchte oder einfach nur jemand neben mir sitzen sollte. Es hat zwei lange Jahre gedauert bis ich das erste Mal frei und aufrecht gehend die Klinik verließ. Zwei Jahre in denen sie alle zu mir gehalten haben, mir Mut machten und auch kritische Fragen stellten. Ich bin ihnen allen so unendlich dankbar.
Abgesehen von diesem sozialen Rückhalt gab es einen Gedanken, der mich immer wieder angetrieben hat nach vorne zu sehen und immer wieder an mir zu arbeiten: ich wollte wieder mit meiner Mannschaft Fußball spielen. Keiner der Ärzte hat geglaubt, dass das passieren wird. Wenige andere haben daran geglaubt – es mir aber zum Glück nie gesagt. Heute bin ich überzeugt: der Fußball hat mir das Leben gerettet. Denn er gab mir halt und ein Ziel.
Zwei Tage nach der Entlassung aus der Reha stand ich mit meiner Prothese bereits wieder auf dem Fußballplatz. Erst mal als Co-Trainerin unserer U17-Mädchenmannschaft. Wieder zwei Tage später stand ich das erste Mal bei den Mädchen im Abschlussspiel im Tor, bekam und spielte Pässe. Ohne das mir klar war, was ich da tat: ich spielte Fußball. Noch mit ziemlich wenigen Laufanteilen, aber der Anfang war gemacht. In der darauffolgenden Woche kickte ich mit unserer Ü30 Damenmannschaft. Klar, ich war schnell platt und meine Pässe waren mal präziser, aber ich war auf dem richtigen Weg. Also ging ich auch wieder regulär zum Training. Mannschaft und Trainer gaben mir jede Freiheit, die ich brauchte. Wenn ich eine Pause brauchte, konnte ich sie machen. Wenn ich die Übung mitmachen wollte, machte ich mit. Natürlich war meine Kondition nach zwei Jahren im Bett und auf dem Sofa liegen gelinde gesagt am Arsch. Aber sie kam Stück für Stück zurück. Genauso das Ballgefühl im rechten Fuß, weil ich lernte immer besser auf der Prothese zu stehen. Und langsam lernte ich den Ball mit der Prothese anzunehmen, zu stoppen, zu passen oder direkt weiterzuspielen.
Mein erstes Spiel bestritt ich im Tor. Eine Position, in der ich mich langsam ans Laufen herantasten konnte und gleichzeitig aktiver Teil des Teams war. Es war ein Freundschaftsspiel. Ich spielte 90 Minuten und hatte nicht erfasst, was da passiert war. Nach dem Spiel kamen viele Mitspielerinnen – und vor allem zeitgleich Freunde! – zu mir und umarmten mich fest, teilweise mit Tränen in den Augen, andere strahlten mich einfach an. Erst auf der Heimfahrt hat es mich erwischt. Ich musste anhalten, weil ich begriff: Maria, du hast gerade wieder Fußball gespielt. Tränen strömten mir übers Gesicht.
Am Ziel aber war ich noch nicht. Ich wollte wieder meine Position spielen können: linker Außenverteidiger. Also trainierte ich weiter. Bekam meine kurzen Einsätze in Freundschafts- und Punktspielen. Ein Jahr nach meinen ersten freien Schritten mit der Prothese stiegen wir in die Mittelrheinliga auf, das ist die vierthöchste Spielklasse im Frauenfußball.
Weil ich sauber laufen und mir kein falsches Laufbild aneignen wollte, damit mein Knie und meine Hüfte nicht unnötig früh verschleißen, nahm ich Kontakt zur Parasportabteilung des TSV Bayer 04 Leverkusen auf. Ich wusste, dass sie dort einige Paralympicssieger mit Prothese unter einem Dach vereinten und wollte mir dort das nötige Laufwissen holen. Ich machte also ein Probetraining bei Sara Grädtke und durfte nicht mehr weggehen.
Parallel zum Fußball begann ich meine Karriere in der Leichtathletik. Unabsichtlich wohlgemerkt. Ich wollte nur ein paar Monate bleiben und wenn ich genug gelernt hätte, mich voll und ganz auf den Fußball konzentrieren. Also lernte ich erst mal laufen und dann auch springen. Aber erstens kommt es anderes, zweitens als man denkt. In meinem ersten Winter wurde ich deutsche Hallenmeisterin im Weitsprung. Ich wurde schneller und sprang weiter. Ich ging immer häufiger zum Leichtathletiktraining, sodass ich bald zwei- bis dreimal pro Woche auf dem Fußballplatz und weitere sechs Mal auf der Tartanbahn anzutreffen war.
Das ganze Training zahlte sich aus. Im selben Jahr (2018) wurde ich für die Europameisterschaft der Para Leichtathletik nominiert und wurde 4. im Weitsprung. Bei der WM vergangenes Jahr erreichte ich den 6. Platz über 200m. Parallel halte ich den deutschen Rekord meiner Startklasse T64 (einseitig unterschenkelamputiert oder vergleichbar) über 100 und 60 Meter, über 200 Meter und im Weitsprung in der Halle. Über den Erfolg kam auch die finanzielle Förderung von der Sportstiftung NRW und der Deutschen Sporthilfe. Mit diesen Geldern kann ich es mir leisten, deutlich weniger zu arbeiten oder Aufträge abzusagen, wenn sie im Wettkampfplan zeitlich einfach ungünstig liegen. Dennoch arbeite ich nebenher freiberuflich als Übersetzerin. So kann ich die Arbeit auch mal mit ins Trainingslager nehmen.
So wie der Fußball mir erst einmal das Leben rettete, zeigt die Para Leichtathletik mir, dass auch mit körperlicher Behinderung die Grenze nur mein eigener Kopf ist. Natürlich ist es ärgerlich, wenn die Prothese mal nicht richtig sitzt und das nächste Training zugunsten eines Besuchs beim Techniker ausfallen muss oder die Feder zu weich geworden ist und man die neue eben nicht im Laden um die Ecke kaufen und deshalb teils wochenlang auf perfektes Trainingsgerät warten muss. Trotzdem würde ich nichts anders machen. Auch, weil ich zu den glücklichen Menschen mit Behinderung zähle, die Ausgrenzung und Anfeindung nicht kennen. Gehe ich mit kurzer Hose durch die Stadt, gibt es durchaus den ein oder anderen Blick, weil die Leute bis heute den Anblick von Beinprothesen nicht gewohnt sind. Aber mit dummen Sprüchen hatte ich bisher noch nie zu tun. Vielleicht auch, weil ich schon immer meinen eigenen Kopf hatte und meinen eigenen Weg gegangen bin ohne mich dabei großartig von Anderen beeinflussen zu lassen. Auch beim Sport kenne ich keine Zurückweisung. Beim TSV trainieren die Trainingsgruppen der Nichtbehinderten zu den gleichen Uhrzeiten wie wir. Dort ist man es gewohnt, dass eine Alltagsprothese im Weg liegen kann. Es fällt höchstens Mal die Aussage: „Huch, jetzt bin ich dir auf den Fuß getreten.“ Oder „Kann ich mal dein Bein wegstellen?“.
Sport kann meiner Meinung nach eine sehr große Rolle in Sachen Inklusion spielen. Wenn alle Seiten sehen, dass man gemeinsam gut und erfolgreich Sport machen kann, ließe sich dieser Gedanke auch in den Alltag transportieren. Im Wettkampf ist es schwerer eine gemeinsame Linie zu finden, weil die Leistungsniveaus der verschiedenen Klassen und den olympischen Sportlern sehr unterschiedlich sein können. Aber gerade im Kinder- und Jugendsport und im Amateurbereich kann man sich wunderbar zusammen tun. So haben meine Fußballmannschaft, respektive -verein und ich es gehalten. Egal ob mit oder ohne Handicap, Sport verbindet.
Sport lehrte mich aber auch nicht aufzugeben. Nur, weil es bei diesem einen Spiel oder diesem einen Wettkampf schlecht lief, kann eine Woche später schon der Erfolg auf der Ziellinie warten. Persönlich habe ich im Sport außerdem gelernt mir Ziele zu setzen, von denen man erst am Saisonende weiß, ob sie erreicht sind. Für manche Dinge muss man über einen längeren Zeitraum arbeiten. So habe ich durch die Motivation „Sport“ nach dem Krabbeln als Baby auf meinen zwei Beinen noch weitere Male gehen/laufen gelernt. Nach der Amputation mit Prothese wieder zu gehen und beim TSV mit der Blade zu rennen, schneller als jede deutsche Amputierte zuvor. Wenige haben geglaubt, ich würde wieder einen laufbetonten Sport machen. Dieses Nein habe ich nicht akzeptiert und mich ausprobiert. So hat letztendlich die Leichtathletik meinem Leben wieder eine Richtung gegeben. Ich bin gespannt was nach dem nächsten Startschuss auf mich wartet.
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