Name: Raphaela Gerlach

Beruf: Erzieherin in einer Kindertageseinrichtung

Sportbezug: Fußballschiedsrichterin und ehemalige Fußballspielerin

Kreis: Fußball Kreis 13 Hagen, Schiedsrichter

Portrait Raphaela im Schiridress

Raphaelas Story

„Frauen gehören an den Herd!“, „Wie und wo ist dann der Schiedsrichter?“ Hätte ich eine Strichliste geführt, wäre so manche Wohnwände damit beschrieben worden können.
Ja, dies ist die traurige und unversehrte Wahrheit. Dass Frauen ein Männerspiel in der Kreisliga leiten dürfen, ist leider nicht in alle Köpfe der Gesellschaft hervorgedrungen. Andersherum ist dies an der Tagesordnung und für alle Beteiligten die Normalität. Aber was ist schon normal? Als Schiedsrichterin bist du der Buhmann, egal wie du dich entscheidest. In einem Fußballspiel musst du als Unparteiische in jeder Minute mehr als fünf Entscheidungen treffen, spektakuläre und weniger wichtige, zumindest erscheinen sie uns so. Nicht jede Entscheidung kann richtig sein, aber viele sind richtig. An manchen scheitert man, für andere könntest du dich selbst loben. Aber hat jemand mal eine*n Schiedsrichter*in gesehen, der sich selbst beklatscht hat? Das könnten höchstens mal die Assistenten sein, die über Funk verbunden sind.

Ich persönlich habe das Gefühl, als einzige Frau zwischen 22, teils mit Testosteron vollgepumpten Männern, eine ruhige, aber auch bestimmte Art aufzeigen zu können.
Das Gemeckere dieser Wilden darf ich mir nun seit vier Jahren jede Woche mindestens einmal anhören. Dennoch gehe ich diesen ehrenamtlichen Job gerne nach. Für mich ist jedes Spiel auf dem Fußballplatz eine neue und unbekannte Situation. Jede Woche begegne ich unbekannten, nach mehreren Jahren auch mal bekannteren Gesichtern und Charakteren. Viele Frauen empfanden es, zumindest die in den unteren Klassen, als angenehm mal nur unter Frauen zu sein.

Als ich mit ca. 14 Jahren beschlossen habe, mich aktiv einem Fußballverein anzuschließen, hätte ich mir nicht träumen können, mal als Buhmann/frau im Mittelpunkt zu stehen. Diese Idee ist eher aus reiner Spontanität entstanden. Nach meinem ersten Kreuzbandriss hatte mir mein Heimatverein die Chance eröffnet, ein Mädchenteam zu trainieren. Wirklich eine grandiose Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte. Im Zuge dessen habe ich den C-Lizenz Trainerschein erfolgreich abschließen können. Natürlich war ich dort die einzige weibliche Teilnehmerin. Innerhalb des Trainerscheins gibt es zusätzlich die Möglichkeit, den Schiedsrichterschein zu erwerben. Es gibt dann einen theoretischen Teil, bestehend aus mehreren Lerneinheiten mit den dazugehörigen Regelfragen. Zum Erwerb des Schiri-Scheins fehlt dann einzig und allein noch der praktische Teil, bei dem ich eine kleine Laufprüfung absolvieren musste. Auch diese konnte ich mit Bravour bestehen, trotz der Einhaltung der geforderten Männerzeiten.

Der Fußballkreis 13 ist mein Heimatkreis, dieser umschließt die Stadt Hagen und den Ennepe-Ruhr-Kreis. Nicht gerade der größte Kreis, aber ein sehr weitläufiger. Dennoch hatte es sich schnell rumgesprochen, dass nach Jahren der Abstinenz mal wieder eine weibliche Schiedsrichterin aktiv ist. Insgesamt gibt es in meinem Heimatkreis ca. 165 Schiedsrichter, eine einzige davon ist weiblich; eine sehr ungleiche Verteilung. Zum Vergleich: Beim DFB ist jedes 7. Mitglied weiblich. Aber bin ich mal ehrlich: mit 15 Jahren wäre ich sicherlich nicht im Stande gewesen, mich bei 20 Jahre älteren Männern durchsetzen zu können. Mit 20 Jahren sah das schon anders aus.

Zu Anfang meiner Schiedsrichterinnenlaufbahn habe ich klein angefangen. B-Mädchen Kreisliga, D-Junioren Kreisliga, Frauen Kreisliga. Die Spiele waren mit etwas Abstand betrachtet sicherlich nicht meine Besten, aber ich habe viel gelernt. Deswegen kann ich nur empfehlen: Probiert es einfach mal aus. Die komplette Aufmerksamkeit ist zu Beginn nur auf dich gerichtet und ich  musste erstmal lernen, damit klar zu kommen. Doch das lernt man nach den ersten fünf Spielen. Was mir damals sehr geholfen hat, war die Begleitung eines bereites erfahrenen Schiedsrichters. Dieser fungiert als Betreuer, hilft bei Unklarheiten oder in kniffligen Situationen nach dem Spiel mit den Trainer*innen. Diese Rolle nehme ich mittlerweile ein und beobachte auch Schiedsrichter*innen, um deren Entwicklung zu überprüfen.

Als aktive Fußballspielerin hatte ich in der Kreisliga unzählige Begegnungen mit vielen, eher veralteten Schiedsrichter, deren Lieblingsplatz scheinbar der Mittelkreis war. Ich hatte mir vorgenommen, anders zu sein, mehr Engagement, mehr Präsenz zu zeigen. Dies ist mir oft gelungen. Doch leider wurden mir so manche Male Steine in den Weg gelegt. Es sind Kleinigkeiten, die den sonntäglichen Fußballeinsatz für mich erschweren. Keine zweite Umkleide, bei Assistenteneinsätze verwirrende Blicke von Trainern, dass eine Frau das Männerspiel gleich leiten wird. Wie oft werde ich auf dem Feld mit Herr Schiedsrichter angesprochen, natürlich drehe ich mich dann um und meistens muss ich dann schmunzeln und der Gegenüber meistens dann auch.

In meiner fünften aktiven Saison als Schiedsrichterin konnte ich meine ersten Aufstiege verzeichnen: Schiedsrichterin in der Herrenbezirksliga, Schiedsrichterassistentin in der B-Juniorinnenbundesliga, Schiedsrichterassistentin bis zur Herrenoberliga.
Es ist sicherlich nicht immer leicht als eine von wenigen Frauen in diesem typisch männergeprägten Bereich sich jedes Mal neu zu beweisen. Aber ich muss sagen, all das hat mich sehr reifen lassen im Bezug auf meinen Charakter und darauf bin ich sehr stolz.

Für die nächsten Jahre erhoffe ich mir, dass sich immer mehr Mädchen und Frauen in typischen Männersportarten durchsetzen werden, sodass die „Exotinnen“ zur Normalität werden. Den Mädchenfußball im Allgemeinen konnte ich nie richtig hinter mir lassen. Nach neun Jahren des aktiven Spielens musste ich aufgrund von drei Kreuzbandrissen meine Fußballschuhe an den Nagel hängen. Meine Trainerinnentätigkeiten habe ich nach acht Jahren ebenfalls vorerst beendet. Für meinen Kreis bin ich allerdings als Koordinatorin für den Mädchenfußball tätig, um die Talente von Morgen zu fördern und die Quantität und Qualität der Mädchen zu verbessern. Und wer weiß, eventuell verbirgt sich auch dort das ein oder andere Schiedsrichterinnentalent.

Mein Hobby die Schiedsrichterei ist sicherlich nicht das Beliebteste, aber sind wir mal ehrlich: Ohne uns läuft der ganze Laden nicht. Kein einziges höherklassiges Fußballspiel kann ohne offiziellen Unparteiischen durchgeführt werden. Dies ist unser Ansporn, da zu sein für die 22 Verrückten, die das gleiche Ziel verfolgen wie wir: Teil des schönsten Hobbies der Welt zu sein – dem Fußball.

Mein Tipp an andere:

Frauen gehören zum Fußball, wie der Ball ins Tor. Von daher lasse dir niemals von Vorurteilen den Weg versperren, sondern nutze die Energie für deinen Fight.