Name: Susanne Erdmann

Beruf: Physioterapeutin, Studentin

Sportbezug:

American Football seit 1996 bis jetzt

1999-2004 Berlin Adler Girls

2006-2021 Berlin Kobra Ladies

Nationalmannschaftsspielerin 2010/2013/2015

 

Facebook: https://www.facebook.com/BerlinKobraLadies

Instagram: https://www.instagram.com/berlinkobraladies/

Homepage: www.berlin-kobras.de

 

Susanne läuft mit dem Football unter dem Arm übers Spielfeld

Interview mit Susanne

Wie kamst du zu deinem Sport? Welchen Sport hast du vorher gemacht?

Zum American Football kam ich 1996. Ich war gerade 14 Jahre alt und auf der Suche nach einer Sportart, in der ich was erreichen kann. Ich habe zuvor nicht viel ausprobiert: Ich habe ein wenig Fußball gespielt und beim Judo reingeschnuppert. 

Warum bist du gerade bei deinem Sport hängen geblieben?

Irgendwann bin ich mit ein paar Freundinnen auf einem Sportplatz gewesen, auf dem gerade American Football trainiert wurde. Und ich war sofort fasziniert. Diese Sportart beinhaltete offensichtlich viele Elemente: Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer und Köpfchen. Das Problem war allerdings: Da waren nur Jungs am Start. Aber dann entdeckte ich doch tatsächlich zwei junge Frauen, die an diesem Tag nicht mittrainierten. Sie sprachen uns an, ob wir nicht mal Lust hätten, ein Probetraining mitzumachen. Gesagt getan. Beim nächsten Mal war ich mit dabei und stellte fest, dass es voll mein Sport ist. Da wir mit den Jungs zusammenspielten, war dies eine zusätzliche Herausforderung. Allerdings spielt das in diesem Alter noch keine große Rolle. So wurde ich drei Jahre lang ein Teil der Berlin Bullets aus Marzahn.

Was liebst du so an deinem Sport? Was motiviert dich?

Die größte Motivation für mich ist, sich gemeinsam auf ein Ziel vorzubereiten, über die Saison zu sehen, wie man immer besser wird und am Ende gemeinsam auf dem Feld zu stehen, Spaß zu haben und im besten Fall zu siegen. Zu sehen wie jede einzelne Spielerin, sich in ihrer Individuellen Leistung immer mehr steigert, das find ich total spannend. Das motiviert mich jedes Jahr aufs Neue. American Football ist ein Sport, der so viel Teamstärke braucht und man sich auch nie allein gelassen fühlt, wenn man auch mal Rückschläge erfährt. Du bist nie allein…

Wie war dein Weg zur Bundesligaspielerin?

1999 bin ich dann zu den Adler Girls gewechselt, da ich ja weiterspielen wollte und dass bei der A Jugend nicht mehr geht, als Frau. Was auch verständlich ist, da sich beim American Football die „großen, schweren Jungs“ tummeln und man als Frau körperlich nicht mehr mithalten kann. Bundesligaspielerin zu werden war damals bei diesem Sport nicht allzu schwer, da es zu diesem Zeitpunkt nur eine Liga gab. Heute gibt es die erste und die zweite Damenbundesliga und noch eine Aufbauliga. Aber auch heute ist es vor allem das wichtigste, Lust am Sport zu haben, da wir ja „nur“ Amateure sind. Von 1999-2004 sind wir fünf Mal deutscher Meister geworden. Die Adler Girls waren auch vorher in der Liga schon richtig gut und erzielten insgesamt zehn Meistertitel in ihrer Vereinsgeschichte.

Susanne läuft in Ausrüstung mit einem Football in der Hand an ihrer Gegnerin vorbei

Wie viel Zeit investiert du in deinen Sport? Welche Entbehrungen hast du dadurch?

Ich kann mich erinnern, dass wir zu Zeiten der Adler Girls, dreimal wöchentlich trainiert haben, das war dann aber irgendwann nicht mehr realisierbar. Heute trainieren wir zweimal in der Woche. Vor der Saison veranstalten wir auch kleine Camps, um uns gerade vor dem Start noch etwas intensiver vorzubereiten. Wir fahren über Ostern immer ins Trainingscamp. Ich hatte also 20 Jahre lang kein Ostern mehr zu Hause verbracht. Im Sommer, wenn die Saison läuft, ist es auch schwierig in den Urlaub zu fahren, das legt man dann eher in den Herbst. Wenn man wirklich für den Sport lebt und dafür brennt, fühlt sich das alles aber nicht nach Entbehrungen an, sondern gehört einfach dazu. Ich habe dort meine Freunde, meine Eltern unterstützen mich bei jedem Spiel (sogar bei den meisten Auswärtsspielen bundesweit) und meinen Freund habe ich vor vielen Jahren auch über den Football kennengelernt.

Hast du oft mit Vorurteilen zu kämpfen?

Mit Vorurteilen hatte ich nie zu kämpfen. Eher mit erstaunten Aussagen, wie: „Was? Du spielst Football? Die Spielerinnen habe ich mir immer anders vorgestellt.“ oder „Ich wusste gar nicht, dass es Frauen Football gibt. Das ist ja interessant!“

Wie ist deine Wahrnehmung, welcher Stellenwert dein Sport hat?

American Football ist an sich schon eine Randsportart, aber Frauen Football ist die Randsportart der Randsportart. Ich denke, da werden mir viele andere Sportlerinnen zustimmen, dass Frauensport immer nach hintenangestellt wird und beim Football hat man auch das Gefühl, dass sich noch nicht mal der Verband dafür interessiert. Das beste Beispiel ist die Nationalmannschaft. Für internationale Turniere, wie Europa- oder Weltmeisterschaft, mussten wir uns komplett selbst finanzieren. Es gab keine richtige Struktur, man musste nehmen, was man kriegen kann. Es gab immer einige Leute, die sich für uns stark gemacht haben, aber auch diese erreichten oftmals nicht das gewünschte Ziel. Der Ladiesbowl – das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft im Frauenfootball – ist auch so ein Thema. Es wäre eine tolle Werbung für uns, wenn die Damen die Meisterschaft vor dem German Bowl (Meisterspiel der Herren) ausrichten könnten. Aber wir dürfen den Rasen nicht kaputt machen. Um es auf den Punkt zu bringen: Frauenfootball hat in Deutschland leider keinen Stellenwert in der Verbandsarbeit und ist nicht öffentlichkeitswirksam. Ich hoffe sehr, dass sich das in der Zukunft ändern wird und gerade die Nationalmannschaften eine höhere Priorität erlangen. Und auch wir in der Damenbundesliga sollten mehr Anerkennung und Zuspruch von oben bekommen. Dann wird der Frauenfootball vielleicht auch viel größer werden.

Was sind deine schönsten Erinnerungen und größten Erfolge?

Die schönsten Erinnerungen und größten Erfolge sind eigentlich in einen Topf zu werfen. Deutscher Meister zu werden ist natürlich immer der schönste Abschluss in der Saison. Die Berlin Kobra Ladies, die seit 2005 bestehen und deren Teil ich seit 2006 bin, haben in ihrer Vereinsgeschichte von 14 Meisterschaftsteilnahmen zwölf Mal den Titel geholt. Das ist so das Größte, was man erreichen kann. Rekorde zu brechen, ist dann noch das I-Tüpfelchen. Als Running Back habe ich unzählige Male den Ball über das Feld getragen, Touchdowns gescored und in der Defense die Tackles gemacht. Dass ich damit zum Erfolg meiner Mannschaft beitragen kann, macht mich besonders stolz. Aber dennoch zähle ich die Erfolge des gesamten Teams zu meinen größten.
Auch in der Nationalmannschaft waren wir 2015 erfolgreich und gewannen die Bronze Medaille. So etwas mit einem Team zu schaffen, in dem man nur mit Mädels spielt, die sonst eigentlich deine Gegnerinnen sind, ist ein super Gefühl und wird auch lange in den Köpfen bleiben.

Was waren deine größten Rückschläge?  

Natürlich gab es im Laufe meiner Sportlerkarriere auch Rückschläge, aber an die erinnere ich mich weniger, als an die Erfolge.

Was wünschst du dir für deinen Sport? Was sind deine Wünsche / Pläne / Ziele für die Zukunft?

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass der Sport mehr an Aufmerksamkeit gewinnt und wir wieder international spielen können. Das werde ich wahrscheinlich nicht mehr als Spielerin miterleben. Ich würde mich aber für alle Mädels freuen, die sich für diesen tollen und abwechslungsreichen Sport entscheiden oder auch schon entschieden haben, dass sie irgendwann auch mal in vollen Stadien spielen werden und vor allem mehr Anerkennung aus den eigenen Reihen bekommen.