Name: Anke Höhne

Beruf: Referentin für Suchtprävention; Beratung und Coaching

Sportbezug: Langstreckenschwimmen

Homepage: www.anke-hoehne.de

Anke vor dem Start

Interview mit Anke

Hallo Anke, wie ist dein sportlicher Werdegang und woher kommt deine Liebe zum Sport?

Ich war schon immer eine Wasserratte. Mit dem Langstreckenschwimmen habe ich vor gut 20 Jahren begonnen. Eine Freundin überredete mich, im Jahr 2000 beim Berliner Müggelseeschwimmen mitzumachen. Die damalige Streckenführung betrug 2,6 km. So lange war ich zuvor noch nie am Stück geschwommen. Wir probten die Länge zwei Tage vor dem Schwimmevent im Freibad und waren dann mächtig stolz auf uns, dass wir es schafften, die Strecke im See zu schwimmen. Damals schaffte ich es noch nicht, durchzukraulen. Mir wurde schwindlig von den vielen Kopfbewegungen zu Seite und es fiel mir schwer, mich im offenen Gewässer zu orientieren. Aber die Lust auf mehr war geweckt und ich begann, nach ähnlichen Veranstaltungen zu suchen. Mit der Zeit wurden dann die Strecken länger und ich suchte nach immer neuen Herausforderungen: vom Seeschwimmen zum Meeresschwimmen und von wohligen sommerlichen Wassertemperaturen zum Winter- und Eisschwimmen.

Was liebst Du am Langstreckenschwimmen?

Ich liebe das allein mit mir und der Natur um mich herum sein. Man muss sich mit den Bedingungen, wie sie sind, arrangieren: Wind, Wellengang, Wassertemperatur. Man ist auf sich zurückgeworfen und muss auch monotonieresistent sein, denn je länger die Strecke, desto monotoner kann es natürlich werden. Zwar hat man bei längeren Strecken in der Regel ein Begleitboot dabei (aus Sicherheitsgründen, für die Navigation und für die Verpflegung), aber zum quatschen mit der Bootsbesatzung fehlt natürlich die Zeit. Die Kommunikation beschränkt sich auf ein Minimum und findet allenfalls in den kurzen Verpflegungspausen statt, bei dem man als Schwimmer natürlich im Wasser bleibt und das Boot auch nicht berühren darf. So ist man in den langen Stunden des Schwimmens ganz auf sich zurückgeworfen und muss den inneren Dämonen und dem inneren Schweinehund widerstehen, die einem zuraunen, warum man sich das antut und wie schön es doch wäre, jetzt auf dem Boot zu sitzen anstatt das Wasser umzupflügen…

Wie viel Zeit investiert du aktuell in deinen Sport?

Ich versuche so oft wie möglich schwimmen zu gehen, mind. 4-5 mal pro Woche. Ich trainiere dann durchschnittlich 1-2 Stunden. Vor längeren Schwimmvorhaben wird die Trainingszeit natürlich intensiver. Nebenher fahre ich viel Rad und gehe ins Fitnessstudio. Aber ich habe natürlich auch ein Leben neben meinem Schwimmhobby und ordne dem Hobby nicht alles unter.

Was sind die Unterschiede zwischen Langstrecken- und Extremschwimmen?

Gute Frage. Da scheiden sich vermutlich die Geister. Manche Leute würden wohl sagen, Extremschwimmen sind extrem lange Strecken (z.B. Ärmelkanal) oder Schwimmen, die unter erschwerten Bedingungen (z.B. besonders kaltes Wasser wie beim Eisschwimmen oder sehr kaltes Wasser über eine längere Strecke) durchgeführt werden. Als Langstreckenschwimmen zählt in der Regel ein Schwimmen ab 1500/2000 m Länge. Genau definiert ist das aber nicht. Nach oben sind dann natürlich keine Grenzen gesetzt.

Anke schwimmt durch den Ärmelkanal

2017 hast du als hat als erste Frau den größten Binnensee Deutschlands auf der gesamten Länge durchschwommen – unglaubliche 32 Seekilometer in knapp 15 Stunden! Wie kamst du auf die Idee, die Müritz zu durchschwimmen?

Ich bin im Jahr 2016 durch den Fehmarnbelt geschwommen, d.h. von der Insel Fehmarn nach Dänemark (ca. 18 km). Ich bin dabei, nicht unüblich für Meeresschwimmen, durch ein Quallenmeer und Algenteppiche geschwommen und wollte danach einfach mal ein langes Seeschwimmen durch salzfreies Wasser schwimmen. So kam ich auf die Idee Deutschlands größten Binnensee auf seiner kompletten Länge zu durchschwimmen, was meines Wissens nach vor mir noch niemand gemacht hatte. Es gibt zwar ein paar Schwimmer und Schwimmerinnen, die Teilstrecken der Müritz geschwommen sind, aber eben noch niemanden, der die gesamte Strecke (von Buchholz nach Waren) geschwommen ist. Solche Erstquerungen sind natürlich immer eine Verlockung, ähnlich den Erstbesteigungen für Bergsteiger.

Mein Bericht über das Müritzschwimmen kann hier nachgelesen werden: http://www.schwimmkalender.de/sk_documents/mueritz2017hoehne.pdf

Hast du jemals im Sport mit Vorurteilen aufgrund deines Geschlechts kämpfen müssen?

Nein.

Gibt es bestimmte Personen, die dich auf deinem Weg unterstützen?

Ja, auf jeden Fall. Als allererster und wichtigster Mensch ist hier mein Mann Karl zu nennen, der mich bei allen langen Schwimmen begleitet hat, mir dabei das Essen und Trinken reicht, mich coacht und unterstützt und v.a. im ganz normalen Alltag unterstützt und mir den Rücken freihält für das Schwimmen.

Und dann fallen mir noch einige Freunde und Freundinnen ein, die mich auch bei langen Schwimmen begleitet haben und/oder mir mit Rat und Tat zur Seite stehen, mir wichtige Tipps aus ihrem Erfahrungsschatz zum Langstreckenschwimmen mit auf den Weg gaben und geben und/oder mit mir die eine oder andere lange Strecke im Training geschwommen sind. Danke an Matthias, Jörg, Christian und Beate.

Was waren deine größten Herausforderungen und Rückschläge?

Jedes lange Schwimmen empfand ich als Herausforderung, v.a. wenn ich die Strecke zum ersten Mal geschwommen bin. 2010 sind wir als 5er-Staffel durch den Ärmelkanal geschwommen. Jeder Schwimmer musste jeweils eine Stunde schwimmen, dann wurde gewechselt. Nach 13:14 h war ich die glückliche Schlussschwimmerin und schlug in Frankreich an. Ich war die ganze Zeit seekrank auf dem Begleitboot, aber wenn ich im Wasser war, ging es mir gut. In einem Team so eine Herausforderung zu meistern, war ein tolles Erlebnis.

Aber es sind nicht nur die langen Strecken im Wasser, die ich als Herausforderung ansehe, auch ein Eisschwimmen (Wassertemperatur unter 5 Grad) über 1000 m geht ordentlich, wenn auch ganz anders als ein Langstreckenschwimmen, an die Substanz. Hier ist es die Kälte, die einem schier den Atem raubt und ordentlich Energie kostet. Man spürt sehr schnell sein Finger und Füße nicht mehr und muss sehr fokussiert während des Schwimmens sein. Das große Leiden beginnt beim Eisschwimmen erst nach dem Schwimmen, wenn sich der ganze Körper wieder warm zittert. Anfang 2020 bin ich bei einem Eisschwimmwettkampf in Veitsbronn (Bayern) meinen ersten Eiskilometer geschwommen.

Die größte Herausforderung aber war für mich 2019 mein Versuch, den Ärmelkanal zu durchschwimmen. Nach gut 10 Stunden Schwimmen im 14-15 Grad frischen Ärmelkanal habe ich damals aufgegeben, da der Wind und Wellengang immer stärker wurde. Aber mir war auch schon recht kurz nach diesem Abbruch damals bewusst, dass ich neben der natürlich körperlichen Verausgabung v.a. an mangelnder mentaler Stärke bei diesem Schwimmen gescheitert bin. Das war für mich eine lehrreiche Erkenntnis, die ich natürlich in neue Schwimmvorhaben mitnehme.

Was waren deine größten sportlichen Erfolge?

  • 2015: Durchquerung der Straße von Gibraltar (Spanien à Marokko; 14,4 km; 4:49 h)
  • 2016: Beltquerung (Insel Fehmarn à Dänemark; ca. 18 km; 8:06 h)
  • 2017: Müritz (32 km; 14:45 h)
  • 2019: Zürichsee (26 km; 10:36 h)
  • 2020: Bodensee (doppelte Breitenquerung; 22 km; 9:14 h)

Was würdest du anderen raten, die mal das Freiwasserschwimmen ausprobieren möchten?

Sucht euch Gleichgesinnte und geht gemeinsam schwimmen, denn allein sollte man längere Strecken im Freiwasser aus Sicherheitsgründen nicht schwimmen. Eine Begleitung durch ein Begleitboot (Kajak z.B.) ist natürlich auch möglich.

Es gibt viele Freiwasserveranstaltungen in Deutschland, auch über kürzere Strecken (z.B. Sundschwimmen, Müggelseeschwimmen, Müritzschwimmen, Saaleschwimmen in Halle), die gut abgesichert sind durch die DLRG oder Wasserwacht. Einen guten Überblick über die Freiwasser- und Langstreckenschwimmszene (inkl. Veranstaltungstermine) gibt www.schwimmkalender.de. Leider finden coronabedingt momentan noch nicht wieder so viele Veranstaltungen statt wie vor der Pandemie, aber das wird sich sicherlich spätestens nächstes Jahr wieder ändern.

Und zum Abschluss: Was ist dein Tipp an andere?

Eigentlich habe ich keinen konkreten Tipp an andere: Macht, was Euch Spaß macht an Sport. Aber wer seine eigene Komfortzone mal verlassen will, für den ist Freiwasserschwimmen (zu jeder Jahreszeit!) vielleicht eine Entdeckung, weil jede Jahreszeit ihre eigenen Reize und Herausforderungen hat.

 

Fotocredits:

 
Startbild: https://bit.ly/3wNrjln
 
Stadtparksee Hamburg: Foto aufgenommen von Silke Frei
 
Ärmelkanal: Karl Wortelker