Name: Vivian Hösch

Beruf: Studentin Präventions- und Gesundheitspsychologie

Sportbezug: Para-Biathlon

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Interview mit Vivian

Hallo Vivian, wie ist dein sportlicher Werdegang und woher kommt deine Liebe zum Sport?

Ich habe schon immer viel Sport gemacht. Ich wurde schon als Kind auf Skier gestellt und war auch im Sportkindergarten. Ich hatte also schon immer viel Spaß an Bewegung und bin dann aber eher durch einen lustigen Zufall zum Biathlon gekommen. Ich habe dann meinen ersten Wettkampf gemacht und als ich die erste Wettkampfluft geschnuppert habe, hatte ich gleich Lust auf mehr. Mittlerweile bin ich seit 14 Jahren dabei und bin auch international unterwegs. Durch den Sport durfte ich daher schon viel erleben.

Und wie kam es dazu, dass du Leistungssportlerin wurdest? Hast du irgendwann einfach gemerkt: Ok ich bin gut, ich könnte das schaffen oder hast du da insgeheim schon immer darauf gehofft?

Gar nicht, im Gegenteil. Die Paralympics hatte ich eigentlich nicht als Ziel. Es war so, dass ich angefangen habe in einer Gruppe für Biathlon und Skilanglauf, weil die eben auch im Behindertensport unterwegs war. Davor war ich immer bei Nichtbehinderten im Verein. Das war dann das erste Mal, dass ich mit anderen Behindertensportler*innen zusammen trainiert habe und Wettkämpfe gelaufen bin. So habe ich mich von den Deutschen Meisterschaften über den Weltcup bis hin zu den Paralympics gesteigert.

Du meintest ja, dass du eher durch Zufall zum Biathlon gekommen bist. Was macht dir besonders Spaß, dass du gerade bei dem Sport hängen geblieben bist?

Es war definitiv ein Zufall. Mir hat Schießen sofort Spaß gemacht. Das hat dann auch die Faszination geweckt und mich dazu gebracht, beim Sport zu bleiben.

Und wie sieht deine typische Trainingswoche aus?

Die reine Trainingszeit liegt zwischen 12 und 15 Stunden die Woche. In der Regel ist das auf sechs Tage verteilt. An manchen Tagen gibt es auch schonmal zwei Einheiten. Wir machen viel Ausdauer und Kraft, Koordination, Technik und natürlich Schießen.

Das ist wirklich zeitintensiv. Haben deine Familie und Freunde dich unterstützt oder gab es auch kritische Stimmen?

Ich bin ja nicht von heute auf morgen Profisportlerin geworden. Es fing mit einmal die Woche an und wurde dann doch recht schnell gesteigert auf 2-3 x die Woche. So hat sich das Stück für Stück aufgebaut. 

Du bist Verwaltungsangestellte. Lässt sich Sport und Beruf gut vereinbaren?

Ich hab damals die Ausbildung noch in Vollzeit gemacht. Das war schon ein ziemlich hohes Pensum. Allerdings gibt es da inzwischen auch Teilzeitmöglichkeiten, so dass ich eine Zeitlang Teilzeit gearbeitet habe. Jetzt bin ich aber Studentin, weil ich gerne nochmal einen anderen Weg gehen wollte. Ich studiere jetzt Präventions- und Gesundheitspsychologie, gehe also mehr in Richtung des Sports und bin selbst gespannt, wo es schließlich hingehen wird. Aber klar, man muss schon sehr organisiert und strukturiert sein und auch Möglichkeiten finden, wo es sich gut verbinden lässt. Aber ich sage immer: Eine offene Kommunikation ist ganz wichtig und dann lässt sich auch vieles vereinbaren.

Biathlon selbst ist nicht der günstigste Sport und du musst auch viel reisen. Wie finanzierst du das alles?

Ich werde von der Sporthilfe gefördert und als Nationalmannschaftsmitglied werden dann auch die Wettkämpfe und Reisen bezahlt.

Was würdest du sagen, waren deine größten Erfolge und wie waren deine Erfahrungen bei den Paralympics?

Mein größter Erfolg war definitiv die Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften in den USA 2015 und im Jahr darauf wurde ich Dritte im Gesamtweltcup. Die Paralympics sind immer eine spannende Erfahrung, weil es so ein großes Event ist. Freude und Leid liegen da auch immer sehr nah beieinander. Da bekommt man echt viele Emotionen mit. Ist auf alle Fälle immer wieder ein Erlebnis und ich bin auch selber gespannt, wie die Zukunft da aussehen wird.

Gab es auch Rückschläge, die dich haben Zweifeln lassen, ob du weitermachen sollst?

Klar, es gibt immer wieder so Situationen, wo man sich überlegt: Macht das alles so Sinn? Ich hatte zum Beispiel eine Knieoperation, wo ich auch dachte, jetzt direkt wieder trainieren will ich auch nicht. Dann hatte ich auch mal ein Jahr Pause und hab mich dann wieder zurück gekämpft. Jetzt werde ich sehen, wofür es reicht und will einfach Spaß daran haben. Aber natürlich gibt es Tage, wo man sich einfach durchkämpfen muss, aber solange das Herz noch für den Sport schlägt, will ich einfach nochmal angreifen.

Du hast am Anfang des Interviews erwähnt, dass du in einem Verein mit Nichtbehinderten trainiert hast. Inwieweit würdest du sagen, hat der Sport eine inklusive Funktion?

Es kommt natürlich immer auf die Sportart und die Behinderung an. Ich war am Anfang im Schwimmtraining und da konnte ich auch alleine meine Bahnen ziehen. Jetzt bin ich zum Beispiel bei einem Lauftreff und da kann ich mit verschiedenen Läuferinnen und Läufern mitlaufen, mit einem flexiblen Band, das einen verbindet. Es ist schön in der Gruppe zu trainieren, aber es muss eine gute Abstimmung geben und funktioniert auch nicht bei jeder Trainingseinheit. Ich mach viele Trainingseinheiten auch zu zweit anstatt in einer Gruppe.

Hast du oft mit Vorurteilen zu kämpfen, sowohl aufgrund deiner Behinderung, aber auch weil du als Frau Biathlon machst?

Es gibt da total gegensätzliche Reaktionen. Entweder ich bin die Heldin, die alles kann oder ich bin diejenige, die nichts kann. Ich glaube, es kommt manchmal daher, dass die Leute sich vorstellen, ich mach die Augen zu und dann seh ich nichts mehr und dann kann ich nichts mehr. Dabei wird der Aspekt völlig vernachlässigt, dass ich schon seit 20 Jahren blind bin, also seitdem ich neun bin, bin ich ganz blind. Ich hatte also etliche Jahre, um mich draufeinzustellen und mich anzupassen. Das nervt dann manchmal schon, dass man in Anführungsstrichen nicht als normal gesehen wird. Ich bin ein ganz normaler Mensch. Ich bin eine ganz normale Frau, mit gleichen Gefühlen und da würde ich mir wünschen, dass das manchmal noch etwas normaler gesehen wird.

Hast du das Gefühl, dass es da in den letzten Jahren einen Wandel in der Gesellschaft gab – in die eine oder andere Richtung?

Ich kenn es von meinem Arbeitsumfeld. Meine Kollegen und Kolleginnen hatten jetzt lange Zeit, mich kennenzulernen und gehen damit ganz anders um. Ich erlebe es aber in anderen Ländern, dass es teilweise einen viel offeneren Umgang damit gibt. Ich glaube schon, dass sich was tut, aber das man weiterhin daran arbeiten muss.

Gibt es da konkrete Maßnahmen, die du dir gut vorstellen könntest?

Schulprojekte sind immer super, damit Kinder lernen, offen damit umzugehen. Wenn ich zum Beispiel auf der Straße mit Blindenstock unterwegs bin und Kinder fragen, was das ist, finde ich es toll, wenn Eltern das erklären. Wenn ich es mitbekomme, erkläre ich es auch gerne selber. Erklären ist super wichtig und eine falsche Reaktion wäre: Nein, das darfst du nicht fragen. Wie sollen Kinder das dann lernen? Schule wäre also ein guter Ansatz. Was ich mir auch gut vorstellen könnte, wäre Fernsehwerbung. Langsam gibt es da erste Clips, wo man auch mal jemanden mit Behinderung sieht. Man muss einfach zeigen, dass es nichts außergewöhnliches ist, sondern zur Gesellschaft dazugehört.

Zum Abschluss noch die Frage: Welche großen sportlichen Ziele hast du noch?

Wir haben jetzt die Weltmeisterschaften in Lillehammer, dass ist das nächste große Ziel und dann bin ich gespannt, wie es sich weiterentwickelt.

Und was wäre dein Tipp an andere? 

Die Freude beizubehalten und optimistisch an Sachen ranzugehen. Auch wenn es mal schwierig wird, nicht zu vergessen, dass es sich lohnt, sich durchzukämpfen.