Name: Alina Przygoda

Beruf: Diplom-Finanzwirtin

Sportbezug: Leistungssportlerin olympisches Taekwondo

Instagram: @alina.yzrp

Verein: www.tscgladbeck.com; @tscgladbeckev

Alina posiert draußen für ein Bild

Interview mit Alina

Wie ist dein sportlicher Werdegang? 

Ich habe tatsächlich bereits in der 1. Klasse mit Taekwondo angefangen und habe neben den üblichen sportlichen Dingen wie Schwimmen lernen oder Fußball-AG in der Schule keine anderen Sportarten gemacht. Selbst nachdem ich mal kurzzeitig mit Taekwondo aufgehört hatte, habe ich schnell wieder zu meinem Sport zurückgefunden.

Ich betreibe Taekwondo momentan auf Leistungsniveau im Wettkampfsport. Als Kind habe ich Taekwondo nur als Breitensport gemacht, eine Gürtelprüfung nach der nächsten abgelegt und so im Alter von 14 Jahren meinen ersten schwarzen Gürtel gemacht. Danach bin ich mehr durch Zufall in die Wettkampfgruppe meines damaligen Vereins „reingerutscht“ und habe meine ersten regionalen und später auch nationalen Turniere bestritten. 2016 bin ich dann zu meinem jetzigen Verein gewechselt und kämpfe seit 2019 auch europaweit auf internationaler Ebene und konnte inzwischen auch den ein oder anderen Erfolg für mich verbuchen 🙂

Was macht dir an Taekwondo soviel Spaß?

Da ich quasi mit Taekwondo aufgewachsen bin, schätze ich sehr die Vielfalt an diesem Sport. Aber natürlich hat mich vor allem der Wettkampf gepackt. Ich mag dieses hundertprozentige Auspowern und das bis an die eigenen Grenzen gehen und darüber hinaus. Dieses Gefühl im Kampf, wenn man absolut fokussiert ist und nichts mehr von außen wahrnimmt… Das ist schon einzigartig. Zudem ist kein Kampf wie der andere, alles ist möglich. Aber auch im Training finde ich diese Dynamik, die Schnelligkeit und die Beweglichkeit toll! Es macht einfach Spaß, sich stetig zu verbessern und sich auch nach einem anstrengenden Tag mal völlig auspowern zu können.

Alina bei einem Kampf

Welchen Stellenwert hat der Sport in deinem Leben?

Definitiv einen sehr hohen Stellenwert! Grundsätzlich richte ich all meine übrigen Termine und Verabredungen nach meinem Training und nach den Wettkämpfen aus. Das führt dann leider auch oft dazu, dass ich nicht so viel Zeit für andere Dinge habe… Aber gerade jetzt nach den Corona-Zwangspausen, also die Zeit ohne gemeinsames Training und Wettkämpfe, merke ich nochmal umso mehr, wie wichtig und gut der Sport für mich ist.

Wie sieht dein Trainingsalltag aus?

Da ich einen Vollzeitjob habe, kann ich erst abends zum Training. Ich wohne leider relativ weit weg von meinem Heimatverein, sodass ich pro Strecke eine Stunde fahren muss. 3 mal die Woche geht’s dann also für mich nach Gladbeck zum Training, und zusätzlich dann noch zum Bundesstützpunkt in Düsseldorf. Wenn nicht gerade Corona ist, dann sind am Wochenende häufig Wettkämpfe: Freitags Anreise, Samstags Waage, Sonntags Kampftag, Montags Abreise. Das ist immer ein recht straffes Programm. Dementsprechend muss ich mich auch die Woche vorher darauf vorbereiten, nicht zuletzt eben vor allem auch drauf achten, dass das Gewicht dann stimmt 😉

Hast du (sportliche) Vorbilder?

Tatsächlich habe ich keine direkten sportlichen Vorbilder. Also klar, es gibt durchaus einige herausragende Kämpferinnen, aber ich würde die Personen nicht direkt als Vorbilder bezeichnen. Mir ist es wichtig, dass ich meinen komplett eigenen Weg gehe und nicht versuche, irgendwem nachzuahmen. Jede Person hat doch ihre komplett eigene Story und das finde ich auch gut so.

Hast du oft mit Vorurteilen zu kämpfen? Wenn ja: Welche und wie gehst du damit um?

Sobald jemand davon hört, dass ich Kampfsport mache, kommen zu 99 Prozent immer die gleichen Sprüche: „Oh, da muss ich ja jetzt aufpassen“, „Trittst/Schlägst du dann auch so RICHTIG zu??“ oder auch häufig „Ach, das hab ich auch mal gemacht, also 3 Wochen lang, fand ich dann aber langweilig“. Inzwischen überhöre ich solche Sprüche meistens oder lächle drüber hinweg, je nachdem, wer einen solchen Spruch bringt. Schlimmer find ich eigentlich eher Kommentare, die sich darauf beziehen, dass ich Kampfsport mache, obwohl ich eine Frau bin. Auch solche „nett“ gemeinten Kommentare à la „Wow, ich find das super cool, wenn Frauen kämpfen“. Das find ich auch immer befremdlich, weil auch hier scheint ja die Annahme zugrunde zu liegen, dass das eher keine Sportart für Frauen sei. Solche Sprüche fallen bei Frauen halt definitiv häufiger als bei Männern. Es scheint immer noch normaler zu sein, wenn ein Mann Kampfsport macht. Als wären Sportarten immer nur einem bestimmten Geschlecht zugeordnet. Bist du ein Mann und machst Kampfsport, gilst du als stark, cool, bewundernswert. Bist du eine Frau, dann bekommst du erstmal die Nachfragen, weshalb denn, ein paar verständnislose Blicke und dann ein paar lustige Kommentare. Meistens von Männern, die mit Kampfsport selbst nichts zu tun haben.

Mein Tipp: Niemals von sowas irritieren lassen und im besten Fall entsprechende Gegenfragen stellen, sodass das Gegenüber sich erklären muss für entsprechenden Kommentar 😉

Alina mit Medaille nach einem Kampf

Was sind deine schönsten Erinnerungen / größten Erfolge / lustige Anekdoten?

Meine größten Erfolge würde ich gleichzeitig auch als meine schönsten Momente meiner bisherigen Sportkarriere bezeichnen. Da wäre zum einen der Vizetitel bei der letzten Deutschen Meisterschaft. An dem Tag lief einfach alles super, von Kampf zu Kampf bis ins Finale. Das war schon lange mein Traum: Im Finale bei der Deutschen Meisterschaft zu stehen. Als mein größtes Highlight würde ich aber meine Bronzemedaille bei den Europäischen Hochschulmeisterschaften 2019 in Kroatien benennen. Da war ich allein bei der Nominierung schon überglücklich und fieberte dem Event jeden Tag entgegen. Wir hatten dort quasi ein kleines Athletendorf und die Stimmung war überragend. Am Kampftag konnte ich wirklich meine Bestleistung abrufen und belohnte mich schließlich selbst mit Bronze. Das waren Emotionen pur und genau ein solcher Moment, in dem man weiß, warum man so viel in den Sport investiert und sich einfach alles auszahlt. 

Grundsätzlich mag ich insgesamt die Reisen zu den internationalen Wettkämpfen/Weltranglistenturnieren. Jedes Mal, wenn ich irgendwo ankomme, denke ich mir: Wie cool ist es bitte, dass ich jetzt hier sein und mich mit den Besten der Welt messen kann? Das ist nicht selbstverständlich und letztlich eben auch das Ergebnis aus jahrelanger harter Arbeit, die sich jetzt nach und nach auszahlt, aber eben auch immer noch mehr Arbeit mit sich bringt.

Was waren deine größten Rückschläge?

Hm, also die ein oder andere Verletzung kann ich sicherlich als Rückschlag bezeichnen, aber letztlich ist ja immer wieder alles geheilt und hat mich demnach nicht allzu weit zurückgeworfen. Ich glaube, da war so manche Niederlage bei Kämpfen, von denen ich mir deutlich mehr erhofft hatte, viel schlimmer und enttäuschender. Vor allem, wenn man mal wirklich ein paar Wochen hintereinander aus unterschiedlichsten Gründen nicht die eigene Bestleistung abrufen kann, dann ist das manchmal gar nicht so leicht, auch wieder zuversichtlich und voller Energie in den nächsten Wettkampf zu starten.

Und ganz aktuell definitiv auch die Corona-Situation. Von der Covid-Erkrankung selbst bin ich zum Glück verschont geblieben. Aber monatelang nicht mit anderen Sportler*innen trainieren zu dürfen und vor allem auch kein Sparring zu machen, macht sich dann halt doch in der eigenen Leistung bemerkbar. Anfang 2020 war ich auf meinem Leistungshöchststand, und da muss ich jetzt erstmal wieder dran anknüpfen können. Nach 18 Monaten hatte ich letztens meinen ersten Kampf wieder und der lief alles andere als geplant. Die Routine und „Coolness“ im Kampf fehlte total und deshalb würde ich schon sagen, dass das alles ein enormer Rückschlag ist, den es jetzt halt schnellstmöglich aufzuarbeiten gilt.

Was wünschst du dir für deinen Sport / den Sport allgemein?

Ich würde mir wünschen, dass sogenannte „Randsportarten“ in Deutschland wie eben auch Taekwondo, deutlich mehr Beachtung und mediale Repräsentation bekommen. Es gibt so viele tolle Sportarten, die aber einfach nicht „groß“ werden können, weil niemand darüber berichtet. Zudem wär auch eine (finanzielle) Förderung und das Interesse von Sponsoren mehr als wünschenswert. Das würde etliche Hürden nehmen und vor allem ermöglichen, dass der eigene Fokus tatsächlich hundertprozentig auf dem Sport liegen kann.

Was sind deine (sportlichen) Wünsche / Pläne / Ziele für die Zukunft?

Konkretes Ziel ist auf jeden Fall eine Medaille bei einem Weltranglistenturnier und somit eben auch insgesamt der Aufstieg in der Weltrangliste. Und Deutsche Meisterin möchte ich auf jeden Fall auch werden. Das alles wiederum würde dann wohl auch zu einer Aufnahme in den Bundeskader führen, und das ist auf jeden Fall das oberste Ziel momentan. Allgemein gesagt hoffe ich natürlich, dass ich noch einige Jahre auf diesem Niveau kämpfen kann, mir keine ernsthaften Verletzungen zuziehe und vor allem den Spaß an der ganzen Sache niemals verliere 🙂

Was würdest du anderen raten? Besonders Mädchen und Frauen im Sport?

Probiert euch aus und traut euch mal eine ganze Menge zu! Auch wenn Sport nicht immer nur Highlights mit sich bringt, zählt am Ende doch das große Ganze und ich muss sagen, dass der Sport mir so viel über die ganzen Jahre gegeben hat! Ich kann mir mein Leben nicht ohne Taekwondo vorstellen und bin unglaublich dankbar, dass mich der Sport auch schon in so jungen Jahren geprägt hat. Aber auch wenn ihr schon ein wenig älter sein solltet: Es ist nie zu spät um anzufangen. Taekwondo und auch andere Kampfsportarten sind so umfangreich, dass man nicht unbedingt im Vollkontakt kämpfen muss, sondern sich genauso gut auch auf die anderen Bereiche wie Technik oder Selbstverteidigung konzentrieren kann. Vor allem auch an euch Frauen: Traut euch, probiert Kampfsport aus. Ihr könnt nicht verlieren. Brecht Stereotype und zeigt, was für Power in euch steckt. Lasst euch nicht unterkriegen. Ich sag immer, Kämpfen findet nicht nur auf der Kampffläche statt, sondern vor allem im eigenen Kopf. Kämpft für euch selbst!