Name: Pauline Güntsch

Beruf: Studentin

Sportbezug: Skifahren

Pauline lächelt in die Kamera

Paulines Story

Ich stehe oben an der Piste in einer Skihalle in Yorkshire. Hinter mir sind Leute aus meinem Uni Skiclub und andere Skifahrer und Snowboarder. Vor mir ist eine Schanze, die mir aus dieser Perspektive viel größer vorkommt als gerade noch aus dem Lift. Will ich da wirklich drüber springen? Eigentlich ja schon, aber traue ich mich? Das Gefühl, dass alle hinter mir zuschauen, motiviert mich. Jetzt kann ich nicht kneifen. Ein Freund von mir sagt „You’ve got this, mate“, dann fahre ich los. Ich spüre wie mein Herz schlägt. Bin ich zu schnell? Dann springe ich ab. Drehe mich um 180 Grad. Sehe den Schnee auf meine Skispitzen zukommen, lande und muss sofort grinsen. „Direkt nochmal!“, denke ich. Aus dem Lift jubelt mir einer aus meiner Gruppe zu und unten rufe ich den anderen zu: „I did it!“ und kann nicht aufhören zu grinsen.

Skifahren ist meine Leidenschaft. Dieses Gefühl, sich einer Herausforderung gestellt zu haben. Dieser Rausch nach einer Schanze oder etwas Ähnlichem ist unbeschreiblich. Aber ich liebe diesen Sport nicht nur wegen der Tricks und Hindernisse. Das Gefühl, eine Piste runterzurasen, den Wind vorbeirauschen zu hören und zu spüren, wie sich die Kanten in den Schnee graben, ist unvergleichlich. Man fühlt sich frei. Es ist aber auch das Drumherum, das den Sport für mich ausmacht. Die Gemeinschaft ist besonders: egal wo man ist, man kann immer darauf zählen, dass die meisten Menschen, die Skifahren oder Snowboarden, eine ähnliche Mentalität haben und entspannte, freundliche, lebenslustige Leute sind. Das überträgt sich ebenso auf das Feiern nach dem Skifahren, das für mich auch ein wichtiger Teil der Kultur ist.

Ich könnte ewig damit weitermachen zu beschreiben, was diesen Sport für mich ausmacht, aber vielleicht sollte ich damit anfangen, wie es zu diesem Punkt kam, dass er mir so viel bedeutet. Als jemand, der aus Brandenburg kommt, haben alle in meinem Umfeld Fußball, Hockey oder Rudern gemacht, aber mein Sport war Skifahren, wenn auch anfangs nicht so sehr ambitioniert. Schon als kleines Kind war ich jedes Jahr im Skiurlaub in den Alpen mit meinen Eltern. Beide fahren sehr gerne und sehr gut Ski und haben dementsprechend jegliche Begeisterung, dem Sport gegenüber, immer unterstützt. Ich habe ihnen immer vorgehalten, dass sie nicht an einen Ort gezogen waren, an dem man Skifahren konnte.

Das lag unter anderem daran, dass ich gerne wie diese coolen Skiclub-Kinder sein wollte, die in ihren coolen Rennanzügen auf der Piste mit beneidenswert guter Technik an einem vorbeirasen. In der Schule war ich nie gut in Sport. Deswegen hätte ich gerne zuhause meinen Sport, mein Ding, in dem ich ganz gut war, gehabt, wie andere Fußball. Aber abgesehen davon hatte ich eigentlich keine Ambitionen und deshalb auch kein Interesse an Technik oder Skiunterricht. Das fing an sich zu ändern, nachdem ich den Park entdeckt habe.

Pauline auf der Piste

Ein Park in einem Skigebiet hat nichts mit Bäumen, Gras und hübschen Wegen zu tun, sondern ist der Ort an dem Schanzen, Rails und alles, das mit Freestyle zu tun hat, steht. In diesem Park waren nur wahnsinnig cool aussehende Typen, die älter als wir waren und natürlich viel mehr drauf hatten. Diesen Freestylern haben meine Freundin und ich lang bewundernd zugeguckt, bevor wir uns überhaupt einmal dort reingetraut haben. Als wir uns endlich überwunden hatten, hat es uns so Spaß gemacht, dass wir teilweise stundenlang dort waren. Im Park zu sein war für mich ganz anders als einfach auf der Piste zu fahren. Allein schon das aufregende Gefühl über eine Schanze zu springen war genug, dass es mir nicht mehr reichte, irgendwie zu fahren, sondern, dass ich unbedingt besser werden wollte. Das wurde dadurch unterstützt, dass ich anfing Freestyle Wettbewerbe und Videos anzugucken und sah, was auf Skiern so alles möglich ist. Damit fing ich an, auch außerhalb der Ferienzeiten, andauernd ans Skifahren, und was ich so alles ausprobieren wollte, zu denken.

Im Sommer nach dem Abitur habe ich die Skilehrerausbildung gemacht, bei der ich erkannt habe, was an meiner Technik noch alles zu verbessern ist und wie viel mehr Spaß es macht, mit verbesserter Technik zu fahren und, dass diese ‚nervigen‘ Übungen eigentlich echt witzig sind und viel bringen. Im darauffolgenden Winter habe ich 10 Wochen in Österreich als Skilehrerin gearbeitet, wodurch ich endgültig und hoffnungslos dem Skifahren verfiel. Dort jeden Tag in den Bergen an der frischen kalten Luft auf Skiern zu arbeiten mit Menschen, die auch so begeistert sind und diese besondere Mentalität haben, abends mit ihnen feiern zu gehen und am nächsten Morgen selbstverständlich wieder, mehr oder weniger fit, auf dem Berg zu sein und einfach immer besser zu werden, hat mich sehr geprägt. In dieser Zeit war ich das erste Mal näher an einem Ideal von Skifahrerin, die ich gerne wäre. Aber dennoch war mir bewusst, dass ich nicht so cool und gut war wie die einheimischen Freestyler, die wahrscheinlich mit zwölf ihren ersten Backflip gelandet haben, und es auch nie sein würde. Da war aber nicht nur der Aspekt, dass ich nicht in den Bergen groß geworden bin, sondern auch der, dass ich ein Mädchen bin und diese Freestyler, zu denen ich so aufschaute, alle Jungs. Der ganze Sport ist ziemlich männlich dominiert. Auch In England bin ich eins der wenigen Mädchen der Gruppe. Ich wollte gern in die Kultur reinpassen, fand es aber relativ schwer, das auf meine Art, als Mädchen, zu tun. Schon mit ungefähr 15 hat mich das beeinflusst, wie mir im Nachhinein bewusst ist.

Besonders aussagekräftig ist ein Moment, in dem ich im Park von jemandem für einen Jungen gehalten wurde und es danach unglaublich stolz überall als Errungenschaft erzählt habe. Dieser Konflikt hat mir allerdings den Spaß am Skifahren nicht genommen, sondern mich eher motiviert besser zu werden. Man könnte meinen, nach so langem jeden Tag Skifahren, würde es einem erst mal reichen, aber gerade plötzlich nicht mehr so viel fahren zu können, hat mir noch mehr bewusst gemacht, wie sehr ich diesen Sport liebe. Inzwischen ist das ein richtiger Kreislauf. Jedes Mal, wenn ich Skifahren gehe, macht es mir mehr Spaß und ich werde besser, und jedes Mal danach vermisse ich es mehr. Das warf für mich die Frage auf wie es mit dem Sport weitergehen soll. Meinem Berufswunsch nachzugehen war mir wichtiger, weswegen ich nach England zum studieren ging. Das ist leider nicht das bergigste Land, und ich habe mir einen Sport ausgesucht, den man jenseits der Berge nicht einfach wie Fußball wöchentlich nach der Schule oder Uni machen kann. Oder doch?

Ich habe die Skibegeisterung der Briten unterschätzt. Meine Uni hat, wie viele andere, einen Skiclub mit dem ich jede Woche in eine Skihalle gehe, in der abends ein Park aufgebaut ist: Also doch wie Fußball. Dass ich mich durch das wöchentliche Üben so regelmäßig verbessere, hat mich selbstbewusster gemacht und auch mit einer so tollen Gruppe zu fahren, macht es mir leicht dazuzugehören und auf meine Art reinzupassen. Hier sind auch die Einheimischen nicht in den Bergen groß geworden und trotzdem, oder gerade deshalb, haben alle so eine Leidenschaft für den Sport. Daher herrscht eine richtig positive und motivierende Atmosphäre trotz der suboptimalen Bedingungen.

Inzwischen mache ich mir kaum noch Gedanken darum, wie ich gerne wäre. Ich kann es nicht mehr ändern, dass ich nicht in einem Skiort aufgewachsen bin oder mit zehn mit Freestyle angefangen habe; aber dafür, dass ich aus Brandenburg komme und in einem Land ohne nennenswerte Berge lebe, bin ich schon verdammt viel Skigefahren, im Moment mehr denn je und ich glaube, es gibt mir eine besondere Wertschätzung und Leidenschaft, gerade weil ich nicht immer so oft Skifahren konnte. Ich bin zufrieden mit der Skifahrerin, die ich gerade bin, konzentriere mich auf die Tricks, die ich lernen möchte und schätze es wahnsinnig wert, dass ich so oft die Möglichkeit habe, an ihnen zu arbeiten. Dieses Glück haben nicht viele.

Mein Tipp an andere:

Versucht nicht zu sehr, sein zu wollen, wie irgendein Ideal. Das kann eigentlich nur zu Enttäuschung führen. Genauso zu sein wie ein schon existierendes Bild ist ja eigentlich eh langweilig, das bringt ja nichts neues mit sich. Das ist zwar leichter gesagt als getan, aber macht euch nicht zu viele Gedanken darüber, wie ihr nicht sein könnt, sondern eher wie ihr auf eure eigene Art weiterkommen und erreichen könnt, was ihr euch vornimmt.